Goch "Ich bin im Epizentrum"

Goch · Gerade noch auf dem Sofa, Sekunden später mit Taschenlampe am Kamin: Heinz Bömler, Hassums Puppenspieler, begriff erst später, dass er mittendrin war im Erdbeben. Dass dieses Zentrum bei Goch lag, war kein Zufall.

Erdbeben: In der Viller Mühle rüttelte es
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Erdbeben: In der Viller Mühle rüttelte es

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Eines einte ihn gestern mit dem bekannten Erdbeben-Experten der Region: Er telefonierte fast pausenlos, ein Anrufer nach dem anderen. "Alle wollten wissen, ob ich noch lebe, was denn umgefallen ist, wie schrecklich es war." Heinz Bömler, Herr über die Viller Mühle fünf Kilometer über dem Epizentrum, erlebte das Rütteln, das, schlauer ausgedrückt, eine Stärke von 4,6 auf der Richterskala hatte, auf dem gepolsterten Sofa. Ein Rütteln sei es gewesen, unheimlich. "Ich denke, es hat etwa zehn Sekunden gedauert." Mit dem entspannten Couch-Gefühl war's dann aber vorbei. Bömler: "Mein erster Gedanke war: Was ist mit der Statik der Gebäude? Ich war mir aber eigentlich von Anfang an sicher: Das kann es nicht sein, es muss eine andere Ursache gehabt haben, das Rütteln: Es muss ein Erdbeben gewesen sein."

Bömler tat das, was zur selben Sekunde Hunderte anderer Kesseler, Hassumer, Gocher taten: Nach draußen laufen und gucken. Während schon die ersten Anrufe eingingen ("Was war das? Ist was passiert? Was macht der Schornstein?) war Bömler schon genau dort. Am Schornstein, sprich, an der Luftballon-Abschussrampe. Inspektion auf Risse, auf Schäden, Rundgang mit der Taschenlampe. das Ergebnis: "Alles in Ordnung!" Bömler war froh.

Keine Schäden am Kirchturm

Nicht froh, sondern gelassen: Gochs Arnold-Janssen-Pfarrer Günter Hoebertz. Viele Gocher dachten nach dem Erdbeben unwillkürlich an den Einsturz des 24. Mai 1993 um 2.27 Uhr. Das war schließlich Gochs ganz lokales Erdbeben. Hoebertz gestern zur RP: "Eines wissen wir nun: Der Turm ist das wohl sicherste Gebäude in Goch!" Beim Neubau seien Gipsmarken angebracht worden, einfach gesagt also "Anzeiger", die mit Rissbildung auf noch so kleine Bewegungen und Verwerfungen reagieren. Das Resultat? Hoebertz: "Nichts, absolut nichts. Das Erdbeben hat keinerlei Auswirkungen auf den Turm gehabt."

Eine gute Nachricht. Denn es war alles andere als Zufall, dass das Erdbeben sich genau unter Gochs Westen ereignete. Prof. Dr. Klaus-G. Hinzen von der Uni Köln, Leiter der Hochschul-eigenen Erdbebenstation in Bensberg, gestern zur RP: "Goch liegt am nördlichen Ende des so genannten Viersener Sprungs. Das ist eine Hauptverwerfungslinie, die sich weiter nach Süden zieht, westlich von Krefeld bis hinter Viersen, dort biegt sie nach Osten ab, führt bis in einen Bereich östlich von Köln." Seismisch, also in Sachen Erdbeben, sei sie "längst nicht so aktiv wie der Ruhrrand und der Peelrand. Umso auffälliger, dass es nun ein so starkes Beben gab. Noch auffälliger: Nachbeben blieben völlig aus. Normal, so Hinzen, seien etwa 100 meist nicht spürbare Nachbeben in der unmittelbaren Folgezeit. In Goch blieben sie bis gestern völlig aus.

Internet Mehr über das Erdbeben im Internet auf www.rp-online.de/goch

(RP/jul)
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