Goch Herr Janssen fand das Glück - und Frau Lörcks ihren Mann

Goch · Ein Traum in Silber und eine Indianerin tummeln sich an Altweiber in den Festzelten in Goch und Kleve. Sie sind nicht allein. Jeweils 4000 Narren feiern dort zusammen.

Goch: Herr Janssen fand das Glück - und Frau Lörcks ihren Mann
Foto: Evers Gottfried

15.11 Uhr, Klosterplatz: Ich stehe im Festzelt. Ich bin eine Indianerin und suche meinen Cowboy. Etwa 150 Narren hatten zu dieser Uhrzeit die gleiche Idee. Zehn Minuten später sind es 200, dann 250. Das Festzelt, das in diesem Jahr zum elften Mal steht, füllt sich langsam.

16.11 Uhr, Kleve, Unterstadt, Zelte am Spoykanal - der Krisenticker startet: Noch deutet nichts daraufhin, dass hier in ein paar Stunden tausende Freunde des niederrheinischen Brauchtums mit Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen haben. Denn heute werden keine Gefangenen gemacht. Für ein gelungenes Get-together ist alles vorbereitet: keine Beckmanns, keine Kerners. Dafür mit Herrn Janssen. Ich stehe in Silber und im Mittelpunkt des Zeltes. Wie bestellt und nicht abgeholt. Aber lange bleib ich nicht allein. Gertrud (54) und Freundin Inge (53) fragen, warum ich denn so traurig gucke. Eigentlich nicht meine Preisklasse. Ein Fall fürs Ledermuseum, aber ich spiel mit. Denn, nur Bellen reicht nicht. Der Tag ist zwar noch lang, aber wie heißt es noch: Lieber den Spatz in der Hand . . .

 "Einer für alle, alle für einen..." - in Kleve sind die hübschen Mädchen, in Goch die hüftsteifen Männer. Wo ist man lieber?

"Einer für alle, alle für einen..." - in Kleve sind die hübschen Mädchen, in Goch die hüftsteifen Männer. Wo ist man lieber?

Foto: RP-Fotos (2) Gottfried Evers

Als ich vor acht Jahren zum ersten Mal im Festzelt war, war der Himmel noch schwarz. Jetzt ist er rot. Zudem befinden sich 5000 Luftballons und unzählige Lichterketten an der Decke. Das macht es gemütlich. Mir dämmert's: das Wohnzimmer. Applaus. So nennen die Gocher ihr Festzelt. Ich schaue mich um und stelle mich an einen Stehtisch, an dem bereits sechs Herren zwischen 40 und 50 Jahren sowie zwei junge Frauen stehen. Wir kommen ins Gespräch. Wie sich herausstellt, handelt es sich um die Gruppe "Twist 'n' Go". Sechs Freunde aus Twisteden und Goch, die gemeinsam singen und tanzen. Auch auf der Bühne, auch im Festzelt. Ich bin mutig und übe mit ihnen den Tanz.

Was da aus den Boxen dröhnt Mickie Krause, "Mich hat ein Engel geküsst" - mich nicht. Die Freundinnen am Nachbartisch kennen sich seit der Realschule. Alle zwischen 28 und 34 Jahren. Da müssen ein paar das Klassenziel nicht immer erreicht haben. Ich frage: "Mädels, glaubt ihr an Liebe auf den ersten Blick? Gut, dann komme ich gleich noch mal vorbei." Keine Regung. 11.11 Uhr haben sich die Schminkteufel getroffen, einige Stunden und Drinks später sind sie kontaktfreudig. Mehr aber auch nicht. "Wir sind da altmodisch. Feiern geht klar, alles andere wollen wir nicht", sagt Nadja (28). Genau wie bei mir, denke ich.

Ich sage es gleich vorweg: Die Männer haben zwei Jahre gebraucht, um diesen Schritt zu lernen. Ich benötige diese Zeit auch. Ich wechsele den Tisch und geselle mich zu den Ex-Prinzessinnen. Sie haben 2007 diese Veranstaltung ins Leben gerufen - zuerst auf dem Markt, jetzt auf dem Klosterplatz. Neben mir steht Hilde Limbourg. Sie ist 89 Jahre alt, war 1953 Karnevalsprinzessin und hat ein königsblaues T-Shirt an und eine leuchtende Krone auf dem Kopf. Sie ist zwar kein Mann, aber ich bin trotzdem schwer verliebt. So betagt und noch so gut drauf.

Ich bin in der Cocktailbar angekommen. Hier sind sie, die gesuchten Hochprozenter mit Schirmchen. Birgit (35) und Nadine (35) kommen aus Nütterden und kennen sich seit der Grundschule. Vor ihnen stehen zwei Mojito für jeweils 5,20 Euro. "Wir feiern nur einmal im Jahr Altweiber, da muss man auch etwas investieren", sagt Nadine. Alt werden die beiden heute nicht. "Wir sondieren zwar den Markt. Aber ich muss Morgen um fünf Uhr aufstehen", sagt Birgit.

Es ist voll geworden im Festzelt. 4000 Narren passen rein, 4000 Karten hat Veranstalter Bernd Dicks verkauft. Durch das Gedränge schiebt sich das Gocher Prinzenpaar, ich mich auch. Mein Cowboy ist immer noch nicht da. Dafür Sabine (48), Bianca (39) und Jessica (40). Die drei Damen im Broadway-Style - enges Kleid, lange Perlenketten und Zigarettenhalter - kommen aus Goch und feiern auch in Goch. Sie trinken Rum mit Cola. Das ist mir zu stark. Ich nehme ein Bier, das kostet eine Wertmarke, also 2,80 Euro.

Okay, in Goch ist mehr Masse. In Kleve sind 3260 Freunde des guten Geschmacks. Daniel Binn ist der Projektleiter der größten Karnevals-Fete in Kleve. Das Geschäft läuft blendend. Je 1000 Narren auf der Damen- und Herrensitzung, und heute: "Alles weg. Sorgen macht uns nur der Wind", sagt er. Man hat einen Windmess-Mast aufgebaut, kontrolliert ständig und hat einen Notfallplan gemacht. "Wir können hier blitzschnell alles herausholen." Will aber keiner.

Nichts geht mehr. Die JunX - eine Coverband aus Norddeutschland - rocken die Bühne. 4000 Jecke tanzen. Ich auch - ich habe aber auch Durst. Also versuche ich,die Theke zu erreichen. "Ein Bier bitte", sage ich zu einem der 75 Angestellten des Abends und drehe mich wieder um. Ich lache, denn da steht er, mein Mann.

Das Thema Frauen hat sich erledigt. Aber da - Kumpel Tütt steht schräg am Tisch. Seit zehn Jahren das selbe Kostüm, immer erlebnisorientiert und einer, mit dem der Abend wieder Fahrt aufnimmt. Ich habe das Glück gefunden.

(jul)
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