Brut- und Setzzeit Wildtiere in Ruhe lassen

Goch · In der Brut- und Setzzeit baut die Kreisjägerschaft Kleve auf die Vernunft der Menschen, die Wildtiere zu schonen und ihnen die nötige Ruhe zu lassen – indem etwa Hunde beim Spaziergang in der Natur angeleint werden.

 Der Feldhase gehört zu den heimischen Wildtieren, für ihn ist jetzt Setzzeit.

Der Feldhase gehört zu den heimischen Wildtieren, für ihn ist jetzt Setzzeit.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Es ist Frühling und die Natur erwacht. Die Frühblüher zeigen bereits ihre farbenfrohe Pracht und allmählich ergrünen Bäume und Sträucher. Doch nicht nur die Pflanzen-, auch die Tierwelt erwacht: Im Frühling ist Brut- und Setzzeit. Das ist die Zeit, in der Tiere brüten, ihre Junge zur Welt bringen und sie dann bei ihren ersten Erfahrungen mit der Welt begleiten und beschützen. Die Zeit, in der Wald und Flur zum „wilden Kinderzimmer“ werden.

Die Menschen sollten in dieser Zeit in der freien Natur mehr Vorsicht zeigen, appelliert die Kreisjägerschaft (KJS) Kleve mit Sitz in Goch. Denn in der Brut- und Setzzeit, die von April bis einschließlich Juli andauert, gilt es besonders, die heimischen Wildtiere zu schützen. „Die Wildtiere brauchen jetzt Ruhe“, sagt Andreas Lohmann, stellvertretender Vorsitzender der KJS Kleve Deshalb appelliert die Kreisjägerschaft an die Bürger, ihre Hunde beim Spaziergang im Wald oder auf dem Feld anzuleinen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, gibt es in NRW keine generelle gesetzliche Leinenpflicht im Wald (wie etwa in Thüringen) oder während der Brut- und Setzzeit (wie in Bremen). Auch spricht sich Andreas Lohmann gegen eine gesetzliche Regelung aus. Er baue auf die Vernunft der Menschen. Und vernünftig wäre es jetzt, die Hunde anzuleinen.

Denn zum Aufzuchtverhalten von  Feldhasen gehört unter anderem, seine Jungtiere tagsüber in der Sasse (einer Kuhle) zu lassen und sie nur abends zu säugen. Spürt ein Hund ein solches Jungtier auf, kann es bei Kontakt eine feindliche Witterung annehmen. „Die olfaktorische Wiedererkennung ist stärker als die optische“, erklärt Lohmann. Deshalb würden Jungtiere, die einen Geruch versprühen, der den Fluchtinstinkt des Elterntieres auslöst, nicht mehr versorgt und schließlich verhungern. Auch können bodennistende Wildvögel von ihren Nestern vertrieben werden und die Eier im Gelege auskühlen.

Ferner kann die Jagd der Wildtiere durch den Hund zum Problem werden – für Tiere und Jäger. Die Bejagung ist für eine trächtige Ricke, selbst wenn sie nicht gefangen oder verletzt wird, ein enormer Stressfaktor, der bis zum Verlust des Rehkitzes führen kann. Wenn sich hingegen eine Bache – ein weibliches Wildschwein – bedroht fühlt, „kann das unangenehme Begegnungen zwischen der Bache und dem Hund, dem Geocacher oder dem Mountainbiker geben“, so Lohmann. Denn das Schwarzwild gelte als „sehr wehrhafte Wildart“, die ihre aktuell acht-wöchigen Jungen verteidigen wird. Ein Grund mehr, die Ruhebereiche der Tiere zu wahren.

Es muss jedoch nicht immer der Vierbeiner sein, der in seinem natürlichen Trieb die Jungtiere bejagt oder sie aus reinem Interesse beschnuppert. Auch Menschen reagieren in der Brut- und Setzzeit aus Unwissen nicht richtig; obwohl sie es mit ihrer Tat gut meinten. Spaziergänger hätten das Gefühl, dass die Jungtiere von Hasen, Wildschweinen, Rehkitzen und Wildvögel von ihren Eltern verlassen wurden und deshalb allein in der Sasse oder dem Nest sitzen, so die KJS Kleve, die betont: „Dies ist nicht der Fall!“ Auch die menschliche Witterung ist für die heimischen Wildtiere eine feindliche. Jungtiere, die angefasst oder aufgenommen werden, drohen verstoßen zu werden.

Sollten offensichtlich verwundete Jungtiere oder Tiere, neben denen ein totes Elterntier aufgefunden, wird beobachtet werden, können diese nach Absprache zur Wildtierauffangstation des Kreises Kleve gebracht werden. Andreas Lohmann, der ebenfalls im Vorstand des Fördervereins der Wildtierauffangstation Kleve ist, erklärt das Vorgehen: „Wir sind sieben Tage die Woche und von 8 bis 18 Uhr telefonisch erreichbar. Bevor man in Aktion tritt, sollte man anrufen und die Situation schildern.“ Ein Mitarbeiter werde dann einschätzen, ob etwas zu tun sei oder nicht. Tiere, die in Obhut genommen werden können von dem Finder in die Station gebracht werden oder ein Mitarbeiter der Station rückt aus – der Finder sollte, wenn möglich, vor Ort bleiben. Zum eigenen Schutz sollten die Tiere zudem mit Handschuhen oder einem anderen „Handschutz“ angefasst werden und in ein Tuch oder eine Jacke verstaut werden, da sie im Dunkeln weniger panisch sind. Die Wildtierauffangstation behandelt und pflegt die Tiere ehrenamtlich mit dem Ziel, sie wieder auszuwildern.

Im vergangenen Jahr hat die Wildtierauffangstation im Kreis Kleve 743 Exemplare in 72 Arten aufgenommen. In der Brut- und Setzzeit werden etwa dreimal so viele Wildtiere abgegeben wie im Rest des Jahres, betont Andreas Lohmann. Auch jetzt nimmt die Station Tiere auf – wenngleich die Station selbst geschlossen ist und die Abgabe der verletzten oder verwaisten Tiere aktuell über eine Klappe und somit kontaktlos laufen muss.

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