Goch Essen und verstehen

Goch · Miteinander essen, einfach so. Keiner schaut auf Einkommen und Vermögen, auf Ansehen, auf die Religion. Was als Versuch gedacht war, das entpuppt sich in Goch als beispiellose Erfolgsgeschichte.

Sie haben neue Töpfe dafür gekauft, sie haben sich beim Gesundheitsamt offiziell in Sachen Hygiene schulen lassen, sie überlegen sorgsam, was sie ihren Gästen servieren, jahreszeitgerecht und lecker. Sie machen sich Mühe, aber sie empfinden es nicht als solches, als Mühen. Weil es einfach so viel Freude bereitet.

Acht Frauen aus der Arnold-Janssen-Gemeinde Goch beweisen, dass es noch gibt, was im wesentlichen untergegangen schien: Gemeinsinn. Den haben sie wieder erweckt, wieder entdeckt, es bedurfte lediglich eines Anstoßes. Den gaben im vergangenen Jahr Pfarrer Günter Hoebertz und zunächst drei Frauen — aus denen mittlerweile ob der Begeisterung acht wurden.

Drei-Gänge-Menü am Donnerstag

"Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, an jedem letzten Sonntag im Monat im Michaelsheim ein Drei-Gänge-Menü auf den Tisch zu bringen", sagt Hoebertz. "Es gibt jedesmal anderes Essen, als Gemüse beispielsweise stets das, was frisch verfügbar ist, dazu Fleisch, als Vorspeise beispielsweise Suppe oder gerade in der Fastenzeit, verschiedene Brote mit Kräuterbutter und ähnlichem.

Und leckeren Nachtisch, den gibt es auch." Damit aber nicht genug. Auf den Tisch kommen nicht nur die Speisen, auf den Tisch kommen auch Rezepte. Hoebertz: "Die Damen schreiben genau auf, wie man das Essen für vier Personen nachkochen kann, was es im Einkauf kostet."

Denn der Kostenfaktor, der spielt für die Gäste, die, ohne Anmeldung, ohne Verpflichtung, ohne sich irgendwie zu offenbaren, so gerne an diesem Essen teilnehmen. Hoebertz: "Das geht quer durch alle Schichten, da sind alleinstehende Rentner genau so dabei wie allein erziehende Mütter mit Kindern, Kirchgänger und Kirchenferne, Asylbewerber, Menschen anderer Religionen."

Und genau darauf kam es im Versuchsstadium ja an: keine Standesunterschiede machen, keine Armenspeisung, die stets diskriminierend ist. Motto: "Die haben keine Kohle, die haben's nötig, da ist am letzten Sonntag im Monat kein Geld mehr da." Miteinander essen. Die Idee griff bewusst den viel strapazierten Gocher Stadt-Slogan auf. Die Hoffnung damals: Es würde funktionieren.

"Und die Idee funktioniert, wir wissen das jetzt genau", sagt Hoebertz. Nein, er kocht selbst nicht mit. Ja, er serviert. "Das ist dann meine Aufgabe. Und wir machen das ganz bewusst so wie im Restaurant. Auf Tellern wird schön angerichtet serviert, und es wird abgeräumt.

Dann kommt der nächste Gang." Wie im Restaurant halt, keine Selbstbedienung, kein "mit anpacken". Wichtig sei ja, betont Hoebertz, "dass die Menschen miteinander ins Gespräch kommen, sich Kontakte und Verbindungen ergeben, die sonst nie zustande gekommen wären." Das Ende der Sprachlosigkeit ein Anfang des Verstehens.

Erfolg steckt an

Und: Dieses "Miteinander essen", sein Erfolg steckt an. Inzwischen sorgen Mädchen und Jungen der Gocher Kindergärten reihum für schöne Tischdekorationen für diese Sonntage. Das macht Freude, das zeigt auch: Dieses Angebot ist vielen Menschen etwas wert.

"Und für viele Gäste ist dieser Sonntag ein Festtag. Sie machen sich fein, ziehen sich ihre guten Sachen an", sagt Hoebertz. Aus Freude, aus Respekt den anderen gegenüber — und aus Dankbarkeit den Köchinnen gegenüber. Dass die inzwischen auch schon mal feste gedrückt werden, ganz spontan — auch das spricht für sich.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort