Johannes Oerding Die "Grundausbildung" auf dem Dorf

Goch · Der Sänger ("Hundert Leben") spricht darüber, welche Grundwerte und Kompetenzen beim Aufwachsen auf dem flachen Land vermittelt wurden. Für ihn sind die Menschen in der Heimat Niederrhein wie ein Sicherheitsnetz.

 Johannes Oerding startete im Herbst in den deutschen Charts mit dem Album "Kreise" direkt auf Platz zwei. In der Single "Hundert Leben" erinnert er an seine Jugend in Kapellen. So heißt es: "Die Lehrer waren stets bemüht, freitags wurde vorgeglüht."

Johannes Oerding startete im Herbst in den deutschen Charts mit dem Album "Kreise" direkt auf Platz zwei. In der Single "Hundert Leben" erinnert er an seine Jugend in Kapellen. So heißt es: "Die Lehrer waren stets bemüht, freitags wurde vorgeglüht."

Foto: Marcel Schaar

GOCH "Am Anfang wollte keiner weg, doch dann haben auch wir entdeckt, dass Leben hinterm Ortsschild ist." Das singt Johannes Oerding in seinem Lied "Hundert Leben". Der in Kapellen aufgewachsene Pop-Star hat sozusagen den Soundtrack zur neuen Staffel der RP-Heimatserie geschrieben. Im Interview äußert der 36-Jährige seine Gedanken über die Heimat.

Wie oft im Jahr und zu welchen Gelegenheiten zieht es Dich nach Kapellen und Umgebung?

Johannes oerding Einerseits ist es beruflich bedingt mit der Zeit immer schwieriger geworden, die alte Heimat zu besuchen. Die Zeit lässt es nicht immer zu. Aber auf der anderen Seite ist es eben auch dieser Beruf, der mich immer in die Nähe meiner Familie und Freunde bringt insbesondere, wenn ich auf Tour durch NRW bin.

Wie intensiv sind Deine Verbindungen zur Familie, zu den Pfadfindern, Arminia und einstigen Mitmusikern?

Oerding Ich habe nach wie vor sehr gute Verbindungen in die alte Heimat und eine enge Verbundenheit zu meiner Familie. Das Schöne ist, wenn ich dann mal zu Besuch bin, sind alle da, denn meine Eltern, Geschwister und die vielen Neffen und Nichten arbeiten und leben alle am Niederrhein. So schafft man es immer sehr gut, sich mit allen auszutauschen und auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Für meinen damaligen Freundeskreis gilt das nicht unbedingt. Viele sind in die Großstädte Deutschlands gezogen oder auch ins Ausland. Da muss man sich schon ein bisschen mehr Mühe geben, sich nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Dann kommt doch schonmal die digitale Welt mit all ihren kommunikativen Vorzügen ins Spiel. Ich freu' mich aber jedes Mal, wenn mich dann alte Freunde, Klassenkameraden und Mitmusiker auf den Konzerten besuchen.

Was hat Dich zu "Hundert Leben" inspiriert?

Oerding Es ist einfach MEINE Geschichte. Es war gar nicht so schwer, diese Bilder und Erinnerungen in Worte zu fassen, denn sie sind eins zu eins das, was ich erlebt habe, und das ist für einen Songschreiber immer das Beste. Da geht es dann am Ende nur darum, die Geschichte in Reimform zu bringen und mit dem hoffentlich passenden Sound zu versehen. So einfach ist es nicht immer. Umso schöner, wenn man merkt, dass es doch nicht nur MEINE Geschichte ist, sondern auch die vieler anderer Menschen.

Wie überrascht bist Du davon, dass der Song, zumindest im WDR-Radio, rauf und runter gespielt wird?

Oerding Ich glaube, man ist immer überrascht, wenn ein Song im Radio gespielt wird, denn es gibt kein Rezept, wie ein Song sein muss, dass er stattfindet. Ich hab schon oft bei anderen Songs gedacht: Mann, das müssen die doch jetzt mal spielen. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ganz viel Glück, Zufall und der richtige Zeitpunkt dazu gehört. Mal gewinnt man, mal nicht! So war die Musikbranche schon immer - ein bisschen wie Lotto spielen. Aber das Beste ist, dass jetzt auch meine Eltern in der Küche meine Musik im Radio hören können.

Der Niederrheiner in der großen weiten Welt: Du bist ein Beispiel dafür? Wie sehr hilft die Erdung und Heimatverbundenheit dabei, in der Fremde nicht abzuheben, bzw. nicht zu scheitern?

OerDing Ich glaube, dass die "Grundausbildung" auf dem Dorf für jeden Lebensweg sinnvoll ist. Gerade im Bezug auf soziale Kompetenzen wie Teamarbeit, Loyalität, Hilfsbereitschaft und ähnliche Grundwerte. Zumindest hat mir das gut getan. Ich weiß, dass, egal was passiert, am Niederrhein Menschen und Familienmitglieder sind, die mich nicht nur in den erfolgreichen Jahren unterstützen, sondern auch, wenn es mal wieder bergab geht. Ich will es nicht beschreien, aber diese Höhen und Tiefen passieren in jedem Künstlerleben, und ich weiß, dass ich dann ein Sicherheitsnetz habe.

MICHAEL KLATT STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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