Goch Rheinlandtaler für Ruth Warrener

Goch · Seit fast 20 Jahren engagiert sich die Gocher Lehrerin Ruth Warrener für die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger, unter anderem auch in der Initiative Stolpersteine. Jetzt wurde sie vom Landschaftsverband Rheinland geehrt.

Bei der Ehrung von links: Bernd Krebs, Bürgermeister Ulrich Knickrehm, Ruth Warrener und  Hubertina Croonenbroek.

Bei der Ehrung von links: Bernd Krebs, Bürgermeister Ulrich Knickrehm, Ruth Warrener und  Hubertina Croonenbroek.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wenige Tage nach dem 9. November, dem Datum der Pogromnacht von 1938, leuchteten am Abend des 11. November noch die roten Grablichter neben den Stolpersteinen in einigen Gocher Straßen. Das passte gut als inhaltliche Einführung zu einer Feierstunde, die im Gocher Rathaus stattfand: Ruth Warrener von der Initiative Stolpersteine wurde vom Landschaftsverband Rheinland der Rheinlandtaler verliehen. Eine Auszeichnung, die das Engagement der Pädagogin für das Gedenken an die ermordeten und verfolgten Gocher Juden würdigt. Der alte Ratssaal war voll besetzt, als der Gocher Bürgermeister Ulrich Knickrehm die Gäste begrüßte. Er betonte, Ruth Warreners ehrenamtliche Arbeit sehr wichtig zu finden – insbesondere, weil sie die jungen Menschen intensiv und nachhaltig mit dem Thema konfrontiere. An ihnen liegt es schließlich, ob die Erinnerung auf Dauer lebendig bleibt.

Und es geht um Menschen, das darf man nicht vergessen. Um Menschen wie den 19-jährigen David Berger, der 1941  in Wilna ermordet wurde und kurz zuvor noch schrieb: ,Ich möchte, dass sich jemand daran erinnert, dass einmal eine Person namens David Berger gelebt hat.“ Das Zitat gab Bernd Krebs wieder, der als stellvertretender Vorsitzender der Landchaftsversammlung Rheinland Festredner der Feierstunde war. Menschen wie den 19-jährigen David hat Ruth Warrener durch das Studium unzähliger Akten und Briefe viele kennengelernt. Sie lebten bis 1933 mehr oder weniger unauffällig in Goch wie überall sonst in Deutschland und haben erschreckend wenig Spuren hinterlassen. Hier und da ein alter Friedhof meist außerhalb oder am Rande der Stadt, selten Reste einer Synagoge – viel mehr ist von der jüdischen Gesellschaft nicht geblieben. Als die Lehrerin an die Gesamtschule Mittelkreis in Goch kam, stellte sie fest, dass immerhin zwei Straßen, ein Schulname und eine Gedenkplakette an die 1938 zerstörte Synagoge an die Juden in Goch erinnerten, aber nicht viel mehr. Gemeinsam mit Schülern machte sie sich daran, vergessene Spuren wiederzuentdecken.

„2003 entdeckte Frau Warrener, dass ein Großteil der Namen auf den Grabsteinen auf dem jüdischen Friedhof an der Reeser Straße nicht mehr lesbar war. Diese bedrückende Erfahrung stand am Anfang ihrer Bemühungen, die vergessene Geschichte der Gocher Jüdinnen und Juden wieder in das allgemeine Gedächtnis der Stadt zurückzurufen“, erklärte Krebs. Ausgestattet mit der Erlaubnis von Stadt und jüdischer Gemeinde machten sich die Lehrerin und ihre Schüler ans Werk und säuberte die Grabsteine. Der Informatikkurs stellte die wiederhergestellten Inschriften auf einer Website zusammen.

Von diesem Zeitpunkt an zog das Projekt immer weitere Kreise. Nachkommen entdeckten Namen und Fotos ihrer Angehörigen, lieferten weitere Informationen, nahmen persönlich Kontakt auf. Inzwischen liegt eine umfangreiche Dokumentation jüdischen Lebens in Goch vor. Nahe liegend, dass Ruth Warrener auch Gründungsmitglied der Gocher Stolpersteininitiative wurde, die sich 2013 gründete und bis heute 103 Stolpersteine verlegte. Oft besuchten aus diesen Anlässen auch Nachfahren der Opfer deren frühere Heimatstadt. Die kleinen Denkmäler erinnern übrigens nicht nur an ermordete, sondern seit 2014 auch an einige geflüchtete und so noch gerettete jüdische Einwohner.

Nicht zuletzt ist Ruth Warrener auch publizistisch tätig, merkte der Laudator an. Gemeinsam mit Hans-Georg Steiffert und herausgegeben vom Heimatverein Goch, dessen Vorstand bei der Ehrung übrigens  komplett vertreten war, entstand im Jahr 2017 das Buch „Wider das Vergessen. Jüdische Schicksale  aus einer rheinischen Kleinstadt“.  Für alle ihre langjährigen Leistungen auf den Gebieten der Heimatgeschichte und der Völkerverständigung erhielt die Lehrerin nun den Rheinlandtaler.

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