Sicherheit im Chemiewerk Goch Ein Besuch im Gocher Chemiewerk RCN

Goch · Sicherheit spielt eine große Rolle, nichts wird dem Zufall überlassen. Jede Änderung ist durch die Aufsichtsbehörde zu genehmigen.

 Betriebsleiter Kevin Bartholemy an einer der Destillationsanlagen (links).

Betriebsleiter Kevin Bartholemy an einer der Destillationsanlagen (links).

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Dass es hier um gefährliche Güter geht und Sicherheit deshalb ganz besonders groß geschrieben wird, bemerkt der Besucher schon in der ersten Minute: Gleich am Empfang muss ein Zettel ausgefüllt werden, der den Gast mit dem verlangten Verhalten auf dem Werksgelände vertraut macht. Und kurze Zeit später, bevor es aus dem Bürogebäude raus geht, gibt’s Schutzausrüstung für jeden: Brille, Helm, Stromableiter für die Schuhe. Riesige Behälter, Destillationsapparate und ein leichtes Rauschen von draußen gebieten Respekt: Dies ist keine Keksfabrik, sondern ein Chemieunternehmen. RCN heißt es und gehört seit 2018 zur Zimmermann-Gruppe. Am Standort Goch geht es um das Recycling von Löse-, Kälte- und Frostschutzmitteln.

Inhaber Benjamin Zimmermann, geschäftsführender Gesellschafter des Gütersloher Familienunternehmens, macht keinen Hehl daraus, dass es im Gocher Werk um gefährliche Stoffe geht. Aber er verweist auch gleich darauf, dass wir alle jeden Tag dafür sorgen, dass genau diese Materialien nicht überflüssig werden. Die Farbindustrie braucht sie, auf dem Bau oder in der Automobilindustrie sind Dicht- und Klebstoffe unverzichtbar, Wasch- und Reinigungsmittel kommen nicht ohne aus, von Kosmetika gar nicht zu reden. „Deshalb ist es wichtig, einen größtmöglichen Anteil der Stoffe aufzubereiten und nach der Reinigung erneut zu nutzen“, sagt Zimmermann. Darum geht’s beim Recycling. „Als mein Großvater das Unternehmen vor 60 Jahren gründete, bedeutete Abfallbeseitigung noch Deponie. Dort landet heute nur noch ein kleiner Teil.“

Schließlich kosten Frostschutzmittel, Waschbenzin oder Lösungsmittel eine Menge Geld, und da werden die recycelten und damit günstigen Alternativen gerne gekauft. Gekauft oder vom Kunden aufbereitet zurückgenommen. Bei RCN wird nichts verbrannt, die Reinigung der Flüssigkeiten geschieht durch Destillation. Und zwar wird so lange verdampft, bis nur noch ganz wenig Feststoff übrig bleibt. Eines Tages, hofft Benjamin Zimmermann, könnten aber sogar solche Reste noch eine gute Letztverwertung erfahren: „Er könnte zu einem CO2-minimierendem Brennstoff für Zementwerke werden. Mal sehen...“

 Geschäftsführer Benjamin Zimmermann zeigt,  wie Produkte vor und nach der Behandlung im Werk aussehen.

Geschäftsführer Benjamin Zimmermann zeigt,  wie Produkte vor und nach der Behandlung im Werk aussehen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Vieles, was in dem Gocher Werk geschieht, hat mit wissenschaftlichen Tests und Versuchen zu tun. So wurde in den vergangenen Jahren der 2018 erbaute „Paddelverdampfer“ mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde als Versuchsanlage betrieben. Jetzt ist beantragt, ihn dauerhaft nutzen zu dürfen; es geht dabei darum, die Ethanol getränkte Tonerde so zu trennen, dass reines Ethanol sowie Tonerde wieder als eigene Bestandteile vorliegen und wieder genutzt werden können. Tonerde fällt bei der Produktion von Lecithin für die Pharma- und Lebensmittelindustrie an. Lecithin wiederum basiert auf Soja und Ei; „die Grundstoffe in der Chemie sind immer natürlichen Ursprungs, das wird gern vergessen“, sagt Betriebsleiter Bartholemy. Er hat bei Bayer gelernt und an der Abendschule seinen Chemietechniker gemacht, bald durfte er bei RCN die technische Leitung übernehmen. Es wird übrigens auch ausgebildet, Bewerbungen sind gern gesehen.

Ein zweiter Neuantrag, der gerade in der Offenlage ist (RP berichtete), betrifft die Errichtung und den Betrieb einer überdachten Lagerhalle, außerdem geht es um Lärmminderung. Damit anliefernde Lkw nicht mehr so viel durchs Industriegebiet fahren müssen, um in einem anderen Unternehmen gewogen zu werden, möchte RCN auch eine eigene Unterflurwaage in Betrieb nehmen. „Weil wir ein Betrieb sind, der nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt ist, müssen alle diese Änderungen, auch wenn sie Verbesserungen für die Allgemeinheit bringen, in Düsseldorf beantragt werden“, erklärt der Chef. Zwei Millionen Euro seien in den vergangenen zwei Jahren  in Modernisierung, Forschung und Entwicklung investiert worden. RCN trage damit dazu bei, Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu recyceln, in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen und so Umwelt und Ressourcen zu schonen.

Viel wird in Sicherheitstechnik und die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Auch die Gocher Feuerwehr kommt regelmäßig zu Übungen aufs Gelände. „Die größte Gefahr hier sind Entstehungsbrände. Im Ernstfall würde allerdings, noch bevor die Feuerwehr da ist, unsere Löschanlage anspringen, die völlig autark ist und auch bei Stromausfall funktioniert. Das haben wir gerade noch getestet: Wenn der Strom weg ist, schaltet sich die Anlage automatisch ab und die eigene Stromversorgung springt an.“ Dennoch ist dem Unternehmer klar: In der öffentlichen Wahrnehmung hat es die Chemieindustrie schwer. „Da geht’s um Emotionen.“ Gegen Ängste helfe am besten, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen. Wer interessiert ist, darf sich gerne zu einer Betriebsbesichtigung anmelden.

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