Lokaler Einzelhandel in Goch Die Buchhandlung Am Markt schließt

Goch · Nach 30 Jahren macht Annette Hagen am 20. Juni Schluss. Sie selbst wolle kürzertreten, habe allerdings keinen Nachfolger gefunden. Nun wartet ein Räumungsverkauf. Nach RP-Info zieht es die Stadtwerke in die Immobilie.

 Martina Kruse (l.) und Annette Hagen mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Martina Kruse (l.) und Annette Hagen mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Noch herrscht in der Buchhandlung Am Markt reges Treiben. Von der Corona-Krise unbeeindruckt gehen dieser Tage im Minuten-Takt Bücher, Kissen, Deko-Ideen oder Duftkerzen über jene Ladentheke, hinter der Geschäftsführerin Annette Hagen seit 30 Jahren die gute Seele ist. Ab dem 20. Juni aber wird die Gocher Innenstadt um eine Institution ärmer sein. Die Traditions-Buchhandlung schließt. „Es sind in der vergangenen Zeit viele Dinge zusammengekommen, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Eigentlich hätte ich noch zwei Jahre weitermachen wollen. Doch jetzt fühlt sich der Zeitpunkt einfach richtig an“, sagt Annette Hagen.

So habe eine langjährige Mitarbeiterin eine neue Herausforderung gefunden, zudem habe die 58-Jährige auch selbst kürzertreten wollen. Immerhin sei der Aufwand als Verantwortliche für vier Mitarbeiter nicht mit dem einer 40-Stunden-Beschäftigung vergleichbar. „Gedanklich ist man eigentlich rund um die Uhr beim Laden“, sagt Hagen. So machte sie sich auf die Suche nach einer Nachfolgerin. Fündig wurde sie nicht. „Es reicht eben nicht, nur gerne zu lesen. Um eine Buchhandlung zu führen, muss man auch kaufmännisch fit sein“, sagt Hagen. So entschied sie sich, den Laden zu schließen. „Die Entscheidung habe ich schweren Herzens getroffen. Durch das Geschäft sind viele Freundschaften mit Kunden entstanden“, sagt sie.

Über drei Jahrzehnte hinweg war Hagen Buchhändlerin mit Leib und Seele. Immer wieder sei sie auf Messen auf der Suche nach neuen Ideen gewesen. „Man muss auf dem neuesten Stand der Mode bleiben, um ein attraktives Angebot zu schaffen. Es war immer mein Anspruch, originelle und hochwertige Sachen anzubieten, um das Alleinstellungsmerkmal zu erhalten“, sagt die 58-Jährige. Der starken Konkurrenz aus dem Internet habe man mit individueller Beratung die Stirn geboten. Und das, obwohl der Buch-Markt in Goch gut aufgestellt sei. „Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Kleinstadt wie Goch zwei Buchhandlungen zur Auswahl hat“, sagt Hagen.

Außerdem sei die Buchhandlung seit jeher mehr gewesen als eine Verkaufsfläche. Regelmäßig fanden hier Lesungen und Veranstaltungen rund um Bücher statt. Zudem organisierte Hagen etwa Matinée-Veranstaltungen oder eine Lesetüten-Aktion für Grundschüler. Auch Reisen auf den Spuren von Theodor Fontane oder Johann Wolfgang von Goethe bot Hagen an. Zudem fungierte die Buchhandlung als Post-Annahmestelle und als Service-Punkt der Rheinischen Post. „Hier ist immer etwas los gewesen“, sagt die gelernte Buchhändlerin. Es sei ihr wichtig, zu betonen, dass sie ihr Geschäft nicht aus finanziellen Gründen schließe: „Wir machen zu einem starken Zeitpunkt Schluss.“ Immerhin sei der Kundenzulauf auch während des Corona-Lockdowns groß gewesen. „Das war wirklich atemberaubend, wie die Kunden uns die Treue gehalten haben. Wir durften zwar nur durch die Eingangstüre verkaufen, doch die Leute sind in Scharen gekommen“, sagt Hagen.

Für die Zeit nach der Buchhandlung Am Markt habe Hagen noch keine konkreten Pläne geschmiedet. Einen Vollzeit-Job strebe sie zwar nicht mehr an, dennoch würde sie sich über eine Beschäftigung freuen. „Noch ist mir da allerdings keine Idee gekommen“, sagt sie. Zudem habe Hagen ausreichend ehrenamtliche Tätigkeiten, denen sie künftig noch mehr Zeit widmen wolle. Für zwei ihrer Mitarbeiterinnen habe sie bereits eine Nachfolge-Beschäftigung in einer Buchhandlung in der Region gefunden. „Das macht mich natürlich sehr stolz“, sagt die Gocherin.

Hagen selbst will in den kommenden Wochen noch mit vollem Herzen für ihre Kunden da sein. Diese lädt sie vom 22. Mai bis zum 20. Juni zum Räumungsverkauf ein. Das Warenlager soll unbedingt leer werden. „Während der Zeit werden sicherlich viele Tränen fließen. Schon jetzt sind Kunden mit Tränen in den Augen zu mir gekommen“, sagt Hagen. Auch deshalb wolle sie unbedingt eine Abschiedsfeier durchführen – wenn auch unter besonderen Corona-Sicherheitsvorkehrungen. „Da werden wir uns etwas einfallen lassen. Und wenn ich nur mit einem Sessel und einigen Sektgläsern vor der Eingangstüre sitze und mit meinen Kunden anstoße“, sagt Hagen.

Wie es für die Immobilie in der Frauenstraße 1 weiter geht, scheint noch offen zu sein. Nach Informationen unserer Redaktion soll dort allerdings ein Service-Punkt der Stadtwerke Goch eingerichtet werden. Der Energieversorger soll gar bestrebt sein, die Immobilie zu kaufen. Torsten Matenaers, Sprecher der Stadt Goch, bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion, dass die Stadtwerke sich dort engagieren wollen. Stadtwerke-Pressesprecherin Kristina Derks erklärt dazu jedoch: „Wir geben keinen Kommentar ab.“

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