Straelen Zu Besuch im Straelener Sikh-Tempel

Straelen · Die "Weltreise durch Wohnzimmer" machte Station in Nordindien. Die Mitglieder der Sikh in Straelen erzählten von ihrer Heimat. Es gab kulinarische, musikalische und vor allem religiöse Einblicke für die Reisenden.

 Vor dem Priester im Sikh-Tempel in Straelen liegt das Heilige Buch. Die reich bestickte Decke bedeckt es, der Priester fächelt in regelmäßigen Abständen darüber.

Vor dem Priester im Sikh-Tempel in Straelen liegt das Heilige Buch. Die reich bestickte Decke bedeckt es, der Priester fächelt in regelmäßigen Abständen darüber.

Foto: Gerhard Seybert

Der Duft von Gewürzen schlägt einem entgegen. Curry, Kardamom und einiges mehr, was eine niederrheinische Nase nicht sofort zuzuordnen mag. Die Schrift an den Wänden: fremd, unlesbar. Die Rituale _ Schuhe aus und nur nicht mit dem Rücken zum Heiligen Buch sitzen - anders. Ungewöhnlich ist vielleicht auch der Ort, der Sikh-Tempel in Straelen. Aber gerade um diese Andersartigkeit geht es bei den "Weltreisen durch Wohnzimmer", die die Volkshochschule Gelderland anbietet und die Andrea Clanzett organisiert. Die Reise führt diesmal nach Nordindien, die Heimat der Sikh. "Es ist besser mit dem Nachbarn zu reden, als über den Nachbarn. Die Reisen sollen ein kleiner Baustein sein zur Völkerverständigung", erklärt Karl-Heinz Pasing von der Volkshochschule Gelderland. Das Fremde soll nicht länger fremd sein, das was anders ist, erklärbar. Es bleibt nicht bei dem Duft der Gewürze. Die Teilnehmer sitzen in einer langen Reihe, einige auf Stühlen, andere auf dem Boden. Nacheinander werden diverse Köstlichkeiten in den Metallteller gelegt. Frittiertes Gemüse, Gemüsetaschen mit Kartoffel- und Kräuterfüllung, süße Gebäckkugeln und gebackener Käse. Fleisch gibt es nicht. Die Sikhs sind Vegetarier. Und weil die Religion den Alltag durchdringt, wird es ein Abend, an dem es vor allem um die Religion geht. "Wir dürfen alle Fragen stellen?", will Pasing wissen. "Auf jeden Fall, so viele Fragen wie möglich", lautet die Antwort von Rita Singh.

Und sie erklärt gleich die Grundsätze, das was sofort auffällt: die Kopfbedeckung, der Turban. "Die Frauen tragen den Kopf bedeckt, die Männer auch, das ist Gleichberechtigung", erklärt Rita Singh. Damit wende man sich auch gegen das Kastensystem in Indien. Alle Menschen sind gleich. Das haben sich die Mitglieder ihrer Religion auf die Fahne geschrieben. Das Äußere spielt eine Rolle. "Unser Prophet wollte, dass man unter tausend Leuten einen Sikh erkennen soll", sagt Rita Singh.

Eine Tatsache, die den Vertretern ihrer Religion nach 1984 zum Verhängnis werden sollte. In dem Jahr wurde der goldene Tempel im indischen Amritsar gestürmt, es gab viele Tote. Gurpreet Kaur Bhangoo erzählt von der Flucht ihres Vaters aus Nordindien, weil die Sikh verfolgt wurden. Kulvinder Singh Gebhardt wirft einen Blick auf die noch heute vorherrschenden politischen Verhältnisse in der alten Heimat Nordindien. "Nur wer Geld hat, kann weiterkommen", sagt er. Das gelte für Schulbildung genauso wie für die medizinische Versorgung. An Deutschland schätze er daher die Gerechtigkeit. Rita Singh geht auf die weiteren Besonderheiten der Sikhs ein, die fünf Ks. Nicht alle sind sofort sichtbar.

Unter dem Turban sind die ungeschnittenen Haare, Kesh genannt. Für die Männer sei es in Europa allerdings eine große Überwindung Haupthaar wie auch Bart wachsen zu lassen, sagen die Sikh-Frauen. Viele befürchten, keine Arbeit zu finden. Dabei haben sie in Kanada ein Vorbild. Der kanadische Verteidigungsminister Harjit Singh Sajjan ist Sikh. Ein weiteres "K" ist der Holzkamm Kangha, zur Pflege der Haare. Kara, ein metallener Armreif, wird als Symbol getragen, mit den Händen nichts Unrechtes zu tun. Der Kirpan, ein kleiner Dolch, dient zu Selbstverteidigung oder um anderen zur Hilfe zu eilen. Die Betonung liegt auf: nur im Notfall. Komplett sind die 5 Ks mit der Kachhehra, einer Art baumwollener Boxershorts, die sowohl Männer als auch Frauen tragen. Während die Frauen erzählen, wedelt der Priester am Kopfende des Raumes beständig über einem Buch.

Fragen stellen, ist erlaubt. Was er da macht? "Man kennt das aus Filmen, wenn Königen Luft zugefächelt wird", beginnt Rita Singh ihre Erklärung. Es hat mit Respekt zu tun. Ihr Heiliges Buch wird nicht als toter Gegenstand empfunden, sondern als Person gesehen. Die Schrift, für uns Ungelehrte unlesbar, für die Sikh Lebenselixier. Die Reise lehrreich. Mitten in Straelen befindet sich eine eigene Welt Nordindiens und der Sikh.

Die nächste "Weltreise durch Wohnzimmer" führt die Teilnehmer am Freitag, 19. Mai, von 18 bis 20 Uhr nach Polen. Anmeldungen, solange noch Plätze frei sind, nimmt die Volkshochschule Gelderland entgegen.

(RP)
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