Prozess in Kleve Wurde Zeuge unter Druck gesetzt?

Geldern · Ein Verteidiger wollte den Staatsanwalt beim Schlüsseldienste-Prozess in Kleve wegen Befangenheit ablösen lassen. Das sieht die Rechtsprechung allerdings nicht vor.

 Seit Januar läuft am Landgericht Kleve der Prozess gegen die beiden Betreiber des Schlüsseldienstes, einen Gelderner und einen Weezer. Hier eine Szene vom Auftakt der Verhandlung.

Seit Januar läuft am Landgericht Kleve der Prozess gegen die beiden Betreiber des Schlüsseldienstes, einen Gelderner und einen Weezer. Hier eine Szene vom Auftakt der Verhandlung.

Foto: evers

Der 20. Verhandlungstag in Sachen "Schlüsseldienst" begann mit einem besonderen Antrag vom Verteidiger des jüngeren Angeklagten: Er wolle Staatsanwalt Hendrik Timmer wegen Befangenheit ablösen lassen. Dieser habe Zeugen und Verteidigung unter Druck gesetzt, warf der Verteidiger ihm vor. "Timmer verstößt mit seinen Methoden massiv gegen das Objektivitätsprinzip. Er will so Einfluss auf die Verteidigung nehmen." Er sei erschüttert über die Vorgänge. Der Staatsanwalt verlasse den Boden der Rechtsstaatlichkeit, so der Verteidiger.

Seit 2007 sollen zwei Beschuldigte, ein 57-Jähriger aus Geldern und ein 39-Jähriger aus Weeze, in 1009 Fällen über eine Unternehmenszentrale in Geldern Handwerker zu Kunden in ganz Deutschland geschickt haben, zumeist für die Not-Öffnung von Türen. Die Rechnungen dafür hätten meist im dreistelligen Bereich gelegen, durchschnittlich bei etwa 500 Euro. Der höchste Rechnungsbetrag auf der Liste der Ermittler betrug 3167 Euro. Der Vorwurf lautet: Betrug und Wucher.

Staatsanwalt Timmer wurde vom Verteidiger vorgeworfen, einen schon befragten Zeugen, der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte, mit einer Anklage unter Druck zu setzen. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Kleve an den Zeugen, einem ehemaligen Monteur der Deutschen Schlüsseldienst Zentrale, wurde im Gericht verlesen. Darin wurde dem Mitarbeiter vorgeworfen, an verschiedenen Betrugstaten beteiligt gewesen zu sein, außerdem wurde ihm der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit und nicht gezahlter Sozialabgaben gemacht. "Eine Aussage kann sich erheblich strafmildernd auswirken", hieß es.

Timmer nahm dazu Stellung: "Eine Ablehnung des Staatsanwaltes wegen Befangenheit sieht die Rechtsprechung nicht vor." Der Verteidiger könne nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde an die vorgesetzte Behörde stellen. Die Staatsanwaltschaft habe im Ermittlungsauftrag gehandelt, so Timmer. Richter Christian Henckel wies den Antrag als unzulässig ab. Die Kammer warte jetzt das "Programm" des nächsten Verhandlungstages am 5. Juni und die Zeugenaussagen ab und werde sich dann weitergehend dazu äußern.

Zwei Monteure sagten als Zeugen aus. Ein 36-Jähriger aus Essen, der acht Monate für den Schlüsseldienst gearbeitet hatte, erklärte, dass er alle Aufträge von der Zentrale bekommen hatte. Er habe 40 Prozent des Entgeltes behalten dürfen. Fahrten über 150 Kilometer habe er abgelehnt. "Da war die Zentrale sauer, und ich habe weniger Aufträge bekommen." Er habe aus familiären Gründen den Job aufgegeben. "Aber auch, weil ich mit den hohen Preisen nicht einverstanden war." Ein 43-jähriger gelernter KfZ-Mechaniker war seit 2005 für den Deutschen Schlüsseldienst tätig. Er war hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen unterwegs, unter anderem in Xanten, Geldern und Emmerich, aber auch in Weimar und Berlin. Er habe 50 Prozent der Rechnungssumme erhalten.

Ein Gutachter, der verschiedene Fälle untersucht hatte, sagte aus: "Die Sätze sind zu hoch, die Materialpreise im Wesentlichen ebenfalls erhöht." Bei einem Fall war die Tür einfach ins Schloss gefallen, die Rechnung hatte aber über 1000 Euro betragen, weil ein Zylinder und ein Mehrfach-Verriegelungsschloss erneuert worden waren. Da der Eigentümer das ausgebaute Material aufbewahrt hatte, konnte der Gutachter feststellen, dass der Zylinder vom Schlüsseldienst bei der Öffnung zerstört worden war und das alte Verriegelungsschloss noch funktionierte und nicht hätte ausgetauscht werden müssen.

In vielen der überprüften Fälle hätte nach Ansicht des Gutachters das Öffnen mit einer Karte oder einem Draht genügt. Er werde jetzt noch weitere Fälle und auch die einzelnen Preise für die Schlösser überprüfen.

Am 5. Juni findet der nächste Verhandlungstag mit mehreren Zeugen statt. Am 13. Juni sollen laut Kammer die letzten beiden Zeugen gehört werden, wenn keine neuen Anträge auf weitere Zeugenbefragungen gestellt werden.

(moha)
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