Geldern Wenn Jesus in Geldern geboren wäre
Geldern · Schülerinnen der Liebfrauenschule haben im Religionsunterricht ein besonderes Weihnachtsprojekt auf die Beine gestellt: Sie haben Josef, Maria und das Jesuskind in neue Szenerien gesetzt – mitten in der Stadt.
Maria und Josef stehen unter der Unterführung am Bahnhof, das Jesuskind liegt in seiner Krippe im Parkhaus von Kaufland oder vor der Aufschrift „Sehnsucht“ der JVA in Pont. Wenn Jesus heute in Geldern zur Welt käme, wäre das nicht im Seeparkhotel Janssen, da sind sich die Schülerinnen der 9a der Liebfrauenschule in Geldern sicher. In Frage kämen ganz einfache Orte, nicht nobel oder schön, eher schäbig und verlassen. So wie im Stall in Bethlehem, zwischen Kühen und Schafen.
Um ins Gedächtnis der Gelderner zu holen, dass Weihnachten nicht nur idyllisch ist, haben sich die 31 Schülerinnen mit ihrem Religionslehrer Joachim Domogala ein ganz besonderes Projekt ausgedacht. Sie haben elf Krippen gebaut, die Josef, Maria und Jesus in ganz neue Szenerien setzen – am Flughafen in Weeze etwa, vor der Halfpipe auf der Skateranlage, an der Bushaltestelle am Markt. Die Krippen werden in den Schaufenstern von zehn Gelderner Läden zu sehen sein – mindestens den gesamten Dezember und vielleicht auch darüber hinaus, sagt Joachim Domogala.
„Anfangs waren wir ein bisschen skeptisch“, sagt Hannah, eine der Schülerinnen. „Wir hatten von uns aus nie über diese Frage nachgedacht, wo Jesus heute geboren werden würde.“ Joachim Domogala hatte ein ähnliches Projekt in Köln gesehen und den Schülerinnen Fotos davon mitgebracht. „Ab da hat das Projekt eine ganz eigene Dynamik entwickelt“, sagt der Lehrer für katholische Religion. „Den Mädchen kamen viele Ideen aus Geldern und Umgebung. Schließlich hatten wir eine riesige Auswahl an Bildern gesammelt.“
In mehreren Gruppen haben die Schülerinnen die Fotos für die Krippen selbst geschossen, waren dafür in der ganzen Stadt unterwegs. Auch in Weeze am Flughafen ist ein Bild entstanden. „Uns war wichtig, dass man sofort erkennt, wo die Krippenfiguren stehen“, sagt Schülerin Lisa Marie. „Und wir wollten Orte finden, an denen viele Menschen unterwegs sind, aber eher vorbeigehen als stehen bleiben.“ Darum ist auch ein Bild der Maria-Magdalena-Kirche nicht in die engere Auswahl gekommen: Es war zu behaglich und zu gut besucht.
Die Krippenfiguren haben die Schülerinnen selbst mitgebracht, auf Dachböden gewühlt, bei Bekannten und Verwandten rumgefragt und schließlich elf Exemplare zusammenbekommen.
Um die fertigen Krippen auch ausstellen zu können, haben die Schülerinnen in Gelderner Läden angefragt, ob sie die Exponate in ihre Schaufenster stellen. Ein Geschäftsmann, so berichtet Joachim Domogala, hat gesagt: „So einen alten Bahnhof will doch keiner sehen, vor allem nicht in der Weihnachtszeit.“
Doch darum geht es den Schülerinnen nicht. „Wir wollen den Leuten nicht das Weihnachtsfest verderben oder sie provozieren mit einer nicht traditionellen Krippe“, sagen sie. „Wir wollen zum Nachdenken anregen.“ Damit Weihnachten nicht zu einem Fest ohne Inhalt werde, wollen sie auf die Ursprünge hinweisen. „Was feiern wir da eigentlich? Diese Frage steht im Mittelpunkt.“ Nun werden in dem Laden des Geschäftsmanns auch Krippen stehen. „Für die Geschäfte ist das auch ein Gewinn. Passanten bleiben am Schaufenster stehen und fragen sich, was es mit der Krippe auf sich hat.“ In den Läden sollen dann Flyer ausliegen, die das Projekt erläutern.
Zeitplan Der Startschuss für das Projekt soll am Freitag, 30. November, fallen. Ab 11 Uhr wollen die Schülerinnen dann ihre Krippen den Passanten auf dem Gelderner Marktplatz vorstellen und ihnen die Idee dahinter erklären. Danach kommen die Krippen in die jeweiligen Schaufenster.