Seminar in Geldern Wenn der Tod plötzlich kommt

Manchmal sterben Familienmitglieder oder Freunde ganz unerwartet – bei einem Unfall, durch eine schwere Krankheit oder Suizid. Damit Angehörige in ihrer Trauer nicht erstarren, hat die Stadt Geldern nun erstmals eine Infoveranstaltung angeboten.

 Wie umgehen mit Tod und Trauer? Die Veranstaltung im Bürgerforum zeigte Wege auf.

Wie umgehen mit Tod und Trauer? Die Veranstaltung im Bürgerforum zeigte Wege auf.

Foto: Malz Ekkehart/Malz, Ekkehart (ema)

Barbara Coppers kennt die Situation, aus eigener trauriger Erfahrung. Wenn zwei Polizisten vor der Haustür stehen und die Nachricht überbringen, dass ein geliebtes Familienmitglied nicht mehr lebt. Dann funktioniert das logische Denken im Gehirn nicht mehr, dann entscheidet der Instinkt: Flüchten, Kämpfen oder Erstarren? Der Körper setzt Energie frei, die ein Mensch für die Flucht oder den Kampf bräuchte. Doch erstarrt man stattdessen, wie es bei vielen der Fall ist, wenn sie von dem plötzlichen Tod eines Angehörigen erfahren, dann bleibt die Energie gefangen.

Oft zittern die Hände und irgendwann, sagt Barbara Coppers, zerspringt man wie ein Spiegel. „Das ist der erste Schritt eines Traumas“, sagt sie. „Wenn man die Energie nicht verarbeitet.“ Die Trauer- und Traumapädagogin hat am Donnerstag vor einem voll besetzten Bürgerforum in Geldern gesprochen. Bei der Infoveranstaltung „Tot – und jetzt?“ der Stadt Geldern waren Experten vom Opferschutz, Hospizdienst und Trauerbegleitung zusammengekommen, um Hilfen zu bieten, die Situation des plötzlichen und unerwarteten Todes von Angehörigen zu bewältigen.

Barbara Coppers wird immer dann von der Polizei hinzugezogen, wenn es einen plötzlichen und unerwarteten Todesfall gegeben hat – ein Autounfall, ein Suizid, eine schwere Krankheit. Sie hilft den Familien und Freunden, mit dieser Nachricht klarzukommen.

Und manchmal, sagt sie, sind es Kleinigkeiten, die in Ausnahmesituationen helfen. Einmal habe sie einem Mann, dessen Sohn sich umgebracht hatte, einen Massageball für die Hand gegeben. „Bewegung hilft gegen das Erstarren“, sagt Coppers. Denn gegen das Erstarren, da sind sich alle Experten an diesem Nachmittag einig, sollte man kämpfen.

Darum haben sich auch die polizeilichen Opferschützer zum Ziel gesetzt, die Angehörigen mit möglichst vielen Informationen zu versorgen und zu begleiten. In vielen Fällen sind die Opferschützer diejenigen, die den Angehörigen die Nachricht eines Todesfalls überbringen. „Dass die Angehörigen wissen, was passiert ist, und zeitnah Abschied nehmen können, hilft häufig“, sagt Johannes Meurs vom Opferschutz der Polizei Kleve. Sie sorgen dafür, dass immer ein Ansprechpartner von der Polizei erreichbar ist und die Familienmitglieder den Leichnam möglichst schnell sehen können.

Auch Sterbeamme Nicole Füngerlings rät dazu, gegen die Erstarrung zu kämpfen. Ihr Beruf ist das Pendant zur Hebamme – sie hilft nicht, ein Kind zur Welt zu bringen, sondern begleitet die Menschen in den Tod. Von der Diagnose einer Krankheit über das Sterbebett bis zur Trauer der Angehörigen nach dem Tod. Sie erzählt von einem Fall aus dem Kreis Kleve, bei dem sich der Vater von drei Kindern umgebracht hatte. Die Nachricht von dem Suizid verbreitete sich wie ein Lauffeuer in dem Dorf. Doch die Grundschule, zu der eine der Töchter ging, tat so, als ob nichts passiert wäre. Nach wenigen Tagen, so berichtet Füngerlings, hatte sich der Suizid zu einem riesigen Schneeball aufgerollt, der alle zu überrollen drohte.

Zusammen mit den Lehrern der Schule organisierte die Sterbeamme einen Elternabend, klärte auch die Lehrkräfte auf, wie sie mit Fragen der Schüler umgehen sollten. Am Ende stellte sich das Mädchen selbst vor die Klasse und sagte mit eigenen Worten, was passiert war. „Da war ganz großes Mitgefühl der anderen Schüler“, erzählt Füngerlings. „So dass der Suizid nicht mehr im Mittelpunkt stand, sondern die Trauer.“ Und auch die Teilnehmer des Infotags, so Füngerlings, hätten schon den ersten Schritt gegen die Erstarrung geschafft, indem sie den Mut hatten, ins Bürgerforum zu kommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort