Verschwundene Orte (2) Walbecks Kneipenkultur auf der Spur

Walbeck · Die Gaststätte "Zum Schwan" war Ort der Einkehr nach den Gottesdiensten. Einst wurde das Lokal von einem Kaplan aufgekauft und von seinem Bruder betrieben. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Radio- und Fernsehgeschäft.

 Die eisernen Schwäne am heutigen Fachgeschäft der Familie Quinders erinnern an das alte Lokal.

Die eisernen Schwäne am heutigen Fachgeschäft der Familie Quinders erinnern an das alte Lokal.

Foto: Gerhard Seybert

Kirchen und Kneipen sind Orte, an denen sich Menschen treffen und kommunizieren. Das wäre es dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten, sind doch die Interessen der dort Versammelten recht unterschiedlicher Natur.

Aber zumindest baulich ist und war die Nähe immer groß, auch in Walbeck. Wie in den Städten des Mittelalters die Gastwirtschaften im Schatten der Dome und Kirchen lagen, war in Walbeck bis in die 1960er Jahre die Luziakapelle eingerahmt von drei Gaststätten, die nach dem Kirchgang zum Besuch einluden.

Ende der 1920er Jahre gab es in Walbeck 13 Restaurationen und Gaststätten, bei gerade mal 2300 Einwohnern. Schenk- oder Schankwirtschaft nannte man sie früher, weil dort fleißig ein- oder ausgeschenkt wurde. So manch älterer Walbecker wird sich noch daran erinnern, wie sich nach dem sonntäglichen Hochamt - der "Hommes" - die Gaststätten füllten und dort ein zünftiger Frühschoppen abgehalten wurde.

Da stießen auch die mahnenden Worte der Pastöre, die hin und wieder von der Kanzel diese "Unsitte" anprangerten, auf taube Ohren. Das war natürlich reine Männersache, die Frauen besuchten meist schon die Frühmesse, um den spät heimkehrenden Männern pünktlich einen saftigen Sonntagsbraten vorsetzen zu können.

Heute hat Walbeck noch einige Gaststätten aufzuweisen, in unmittelbarer Nähe zur Kirche ist aber nur noch die Gaststätte Haus Deckers übrig. Und der sonntägliche Frühschoppen im Schatten der Kirche ist längst Geschichte.

Als erstes fiel Heinrich Peeters' "Domschenke" der Spitzhacke zum Opfer, als dort im Jahre 1974 das neue Pfarrheim entstand. Für die einige Schritte weiter gelegene Gaststätte "Zum Schwan" kam das endgültige Aus rund 15 Jahre später.

Eine Besonderheit dieser Gaststätte, die zu den historischen Gebäuden in Walbeck zählt, war, dass sie von dem Donsbrüggener Kaplan Theodor Neyenhuys, der von 1863 bis 1884 die Walbecker Seelen betreute, gekauft wurde. Er holte im Jahre 1870 seine beiden Brüder nach Walbeck, die gemeinsam neben der Gaststätte im Dorf noch einen Bauernhof an der Brocksteg kauften. Der neue Besitzer, es war natürlich ein Bruder des Kaplans, nicht der Kaplan selber, begann schon bald, sein Bier selbst zu brauen, und belieferte damit auch umliegende Ortschaften.

Der Gasthof "Zum Schwan" verfügte bereits 1927 über einen großen Tanzsaal, Bier wurde bis 1932 gebraut. Eine Bügelbahn und später auch eine Kegelbahn machten den Aufenthalt auch für die Jugend interessant. Bügeln, das ist ein Sport, bei dem Kugeln mittels Schläger durch einen Bogen (Bügel) befördert werden. In den 1930er Jahren hatte der Gasthof seine Hoch-Zeit, die Walbecker feierten hier ihre Schützenfeste, und auch Parteiversammlungen und Karnevalsabende wurden in dem Saal abgehalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es im Gasthof von Johann Neyenhuys nach und nach ruhiger. Nur in der 1950er Jahren wurde noch mal getanzt, und auch Filmvorführungen fanden im Saal statt. Im Jahre 1970 wurden während der Bauarbeiten an der Pfarrkirche Walbeck an den Sonntagen die Gottesdienste im Saale Neyenhuys-Sleuser abgehalten.

Dass so einige Walbecker nach reichlichem Alkoholgenuss in der Kneipe schon mal eine "Schwarze Messe" abgehalten haben sollen, ist allerdings nicht belegt. Das Gerücht hält sich aber munter als Mund-zu-Mund-Propaganda.

In den 1980er Jahren schloss das Haus dann endgültig seine Tore. Seit September 1991 ist Johannes Quinders Eigentümer, er betreibt dort ein Fachgeschäft für Radio und Fernsehen. Die eisernen Schwäne am Gebäude, die erinnern an die Historie.

(RP)
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