Geldern Walbeck anno 1920

Geldern · Beim Schmugglerspektaktel versetzten sich die Einwohner des Spargeldorfs rund 90 Jahre zurück. Zöllner und "leichte Mädchen" waren einige der Akteure beim Ereignis mit vielen schönen Kostümen.

 Nicht jeder kam durch: Einige Schmuggler wurden von den Zöllnern erwischt und mussten ihre Ware abliefern.

Nicht jeder kam durch: Einige Schmuggler wurden von den Zöllnern erwischt und mussten ihre Ware abliefern.

Foto: Wensierski, Siegfried

Rauch zieht durch die Straßen. Ein Hufschmied formt neue Eisen. Das Feuer lodert. Polizisten in alten Uniformen streifen durch die schmalen Gassen. Dubiose Gestalten ziehen Säcke mit Schmuggelware hinter sich her. Die Walbecker erlebten am Samstag eine Zeitreise der besonderen Art. Sie empfanden nach, wie das Leben in den 1920er Jahren im Spargeldorf aussah, zu in einer Zeit, in der sich die Menschen vom Ersten Weltkrieg erholten und zum Teil große Armut erleiden mussten.

 Die Straßenfegerinnen hatten neben ihrer Arbeit noch Zeit, um beim Schwätzchen Neuigkeiten auszutauschen.

Die Straßenfegerinnen hatten neben ihrer Arbeit noch Zeit, um beim Schwätzchen Neuigkeiten auszutauschen.

Foto: siwe

Viele Walbecker versuchten, das mit originalgetreuer Kostümierung in einer Art Freiluftschauspiel darzustellen. Veranstaltet wurde das Spektakel von der Interessengemeinschaft "Walbeck aktiv", zu der Gastronomen und Einzelhändler gehören, etwa Erika Allofs, die einen alten Marktstand aufgebaut hatte und Obst und Gemüse verkaufte. Das Gewicht von Spargel und Tomaten wog die Marktfrau mit eine antiquierten Waage ab. "Die wurde schon von unseren Großeltern benutzt", erklärte Allofs, die aber nicht gerne in der damaligen Zeit gelebt hätte. "Früher war alles so primitiv. Aber die Zeit hatte auch Vorteile. Die Menschen haben damals mehr kommuniziert. Heute ist vieles stressiger geworden."

Die Spinnerin für einen Tag, Andrea Schürmann, war da anderer Meinung. "Ich hätte damals gerne gelebt, weil ich einen kleinen Nostalgietick habe", sagte sie. An ihrer eigenen Holzspindel machte sie Schafswolle zu Garn, immer unter den argwöhnischen Blicken der Zöllner, zu denen Andrea Linhsen gehörte. "Ich bin Mitglied bei der Kolpingsfamilie. Wir wurden angesprochen, ob wir nicht eine bestimmte Rolle übernehmen wollen", sagte Linshen und durchsuchte aufmerksam die Taschen der Passanten.

Linhsens männliche Zollkollegen nahmen es da nicht ganz so genau – wohl auch, weil sie durch die Offerten der "leichten Mädchen", die an den Fenstern des Lokals "Zur Friedenseiche" lautstark auf sich aufmerksam machten, abgelenkt wurden.

Auch Spargelprinzessin Yvonne I. (Bouten) war mit ihrer gesamten Familie Teil des Freiluftschauspiels. Sie wusch und mangelte dreckige Wäsche. Bei den vielen Regenschauern war es für die Waschfrauen gar nicht so einfach, die Kleidung überhaupt trocken zu bekommen. Trotzdem kamen viele Besucher und schauten sich das Spektakel an. "Die Mangel und die Waschbretter sind Leihgaben von Walbecker Familien", erklärte die Spargelprinzessin a.D., deren Amtszeit gestern zu Ende ging. "Ich schaue mit ein wenig Wehmut auf die Zeit als Prinzessin zurück, die mir aber immer sehr viel Spaß bereitet hat", sagte sie, kurz aus ihrer Rolle fallend.

(cad)
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