Vortrag am Berufskolleg Geldern „Ukraine steht Kalter Krieg bevor“

Geldern · Der Generalmajor a. D. Bernd Schulte Berge diskutierte mit Oberstufenschülern des Berufskollegs Geldern den Ukraine-Konflikt, welche Rolle deutsche Waffenlieferungen spielen und wer Putin noch stoppen könnte.

Bernd Schulte Berge, Generalmajor a. D., war bis April 2018 Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschef im Zentrum Luftoperationen in Kalkar.

Bernd Schulte Berge, Generalmajor a. D., war bis April 2018 Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschef im Zentrum Luftoperationen in Kalkar.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Bernd Schulte Berge hatte für die Oberstufenschüler des Berufskollegs Geldern keine guten Nachrichten im Gepäck. An der Situation in der Ukraine werde sich so schnell nichts ändern, sagte er. Der russische Oppositionelle und Kremlgegner Alexej Nawalny, der zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, werde wohl niemals an die Macht kommen, um den Krieg zu beenden. Dafür müsse es schon zu einer Revolution des russischen Volkes kommen. Und davon könne derzeit keine Rede sein. Der Einzige, der Putin jetzt noch stoppen könnte, wäre der chinesische Staatschef Xi Jinping. Aber der mache keine Anstalten, an der Situation in der Ukraine etwas verändern zu wollen. Aus diesem Grund gehe er, Schulte Berge, langfristig von einem „Frozen Conflict“, einem eingefrorenen Krieg aus.

Es war nicht das erste Mal, dass der Generalmajor a. D. im Berufskolleg zu einem aktuellen politischen Thema Stellung bezog. Der 1955 in Kamen geborene Schulte Berge trat 1974 in die Bundeswehr ein und war bis April 2018 stellvertretender Kommandeur und Chef des Stabes im Zentrum Luftoperationen in Kalkar/Uedem. Zuvor arbeitete er als Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung im Führungsstab der Streitkräfte und der Luftwaffe sowie von 2003 bis 2008 in Brüssel als Abteilungsleiter der Ständigen Deutschen Vertretung der Nato und anschließend als Abteilungsleiter der Ständigen Deutschen EU-Vertretung. Beim Nato-Engagement in Afghanistan war er sowohl als Referats- als auch als Abteilungsleiter im Nato-Hauptquartier in Brüssel eingesetzt.

Schulte Berge kennt die Militärpolitik aus erster Hand und verfügt über Insiderwissen. Zuletzt diskutierte er mit Schülern über eine europäische Armee, über die Nato, die Situation in Syrien und den Zustand der Bundeswehr. Diesmal war er der Einladung von Schulleiter Andreas Boland gefolgt, um über den Ukraine-Konflikt zu sprechen und die Anwesenden über die Hintergründe aufzuklären, die seiner Meinung nach zu dem Angriff Russlands geführt haben.

Der Andrang in der Aula des Berufskollegs war so groß, dass noch weitere Stühle herangeschafft werden mussten, um allen Schülern und Lehrern einen Platz anzubieten, die den Vortrag auf keinen Fall verpassen wollten. Auch wenn Putin etwas verklausuliert von einer „militärischen Spezialoperation“ spreche, handele es sich um einen Krieg, so Schulte Berge. Er wisse allerdings auch, warum Putin den Begriff vermeide. „Um den Konflikt nicht noch weiter eskalieren zu lassen.“ Aus militärischer Sicht liege die Eskalationsdominanz zwar klar auf seiner Seite und dennoch gehe er nicht bis zum Äußersten. „Russland hat die Büchse der Pandora geöffnet und ich glaube nicht, dass wir sie jemals wieder schließen können“, sagte Schulte Berge.

Seiner Erfahrung nach sei ein fair verhandelter Frieden so gut wie ausgeschlossen. Stattdessen prognostizierte er einen neuen Kalten Krieg, in dem die Gefechte in der Ukraine weitergingen. Dass der Staat noch existiere, habe er einzig und allein den USA zu verdanken, die sie mit modernsten Waffen unterstütze. Was aus Deutschland an Waffenlieferungen komme, bezeichnete er dagegen als „Resterampe“.

Schulte Berge erinnerte auch an das, was Putin 2008 zu Protokoll gegeben habe: „Kein russischer Regierungschef werde sich jemals nicht für das interessieren, was in der Ukraine passiert.“ So gesehen habe er Wort gehalten. 2014 annektierte Putin die ukrainische Halbinsel Krim. Seither sieht die Russische Föderation die Republik Krim und Sewastopol als Teil Russlands an. Was Putin darüber hinaus wollen könnte? „Land für Frieden“, vermutete Schulte Berge. Den Donbass als Brücke zur Krim? – Ja. Die halbe Ukraine dazu? – Bestimmt. Und will er noch mehr? – Vielleicht. Aber wäre der Krieg vorbei, wenn die Russen den Osten der Ukraine bekämen und die Landesgrenzen neu gezogen würden? Der frühere Generalmajor glaubt es nicht. Lange Zeit sei Russland für die Nato ein Partner gewesen. „Ein schwieriger Partner, aber immerhin ein Partner.“ Das sei vorbei. Und die Uno? Kann sie Frieden stiften? Schulte Berge meint nein. „Die Vereinten Nationen sehe ich eher in der Rolle des Peace-Keepers, und selbst dieses Konstrukt ist sehr fragil.“

Ob der Krieg der Beweis für die Schwäche Putins sei, wollte ein Schüler von dem Experten wissen. „In gewisser Weise ja“, antwortete Schulte Berge. „Ich gehe davon aus, dass er das Gefühl hatte, das Land angreifen zu müssen. Aber wie gehen Sie mit jemandem um, der aus Schwäche aggressiv wird? Es gibt in dieser Situation keinen Mediator, der schlichtend eingreifen könnte.“

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