Graffiti-Kunst in Geldern Neue Welten im alten Mühlenturm

Geldern · Noch einmal vor seiner Sanierung ist das historische Gebäude am Südwall zu einem Ort für Kunst geworden. Im Rahmen des Projekts „Home Street Home“ hat ein Quartett dort fantastische und farbenfrohe Bilder gesprüht.

 Bei der Vernissage der Graffiti-Ausstellung im Mühlenturm erläuterten die Künstler ihre Bilder.

Bei der Vernissage der Graffiti-Ausstellung im Mühlenturm erläuterten die Künstler ihre Bilder.

Foto: Niersmann

Im nächsten Jahr wird der Mühlenturm saniert. Doch bevor die Substanz des mittelalterlichen Gemäuers am Südwall vor dem Zerfall gerettet wird, ist das Baudenkmal noch einmal zu einem Ort für die Kunst geworden.

Jaroslaw Masztalerz und Alex Weigandt, die sich als Duo „Tubuku“ nennen, Steffen Mumm („Hoker One“) und Alessandro Althaus („Oldhaus“) haben mit ihren Graffiti neue Welten in das alte Gemäuer gesprüht. Im Rahmen des in vier Städten laufenden Projekts „Home Street Home“ – außer in Geldern auch in Mönchengladbach, Krefeld und Neuss – hat das Quartett neben dem Monumentalbild am Haus Kapuzinerstraße 27 mit der neuen Gestaltung des unter Denkmalschutz stehenden Turms ein weiteres Ausrufezeichen der Straßenkunst gesetzt. Wer ab heute die Möglichkeit zur Besichtigung nutzt, wird das historische Zeugnis der ehemaligen Stadtbefestigung von innen kaum wiedererkennen. Statt des abblätternden Putzes sind wahre Farbexplosionen zu sehen.

In der zweiten Etage hat sich ein südamerikanischer Dschungel ausgebreitet. Er wird bevölkert von einem Maya-König, Fotografen, einem bunten Vogel mit großen Augen und einem ganz besonderen Drachen. Masztalerz erzählt die Geschichte dazu: „Der Maya-König Apupapukadupaeo sucht in seiner Verzweiflung über die spanischen Invasoren Hilfe bei einem Schamanen im Amazonas-Dschungel. Es heißt, er sei im Besitz eines mächtigen Drachen, der den Kampf gegen die Invasoren beenden könnte. Leider ist der Schamane nur ein verrückter Vogel, und der Drache fällt in die Hände der Konquistadoren. Über die Spanier gelangt der Drache nach Geldern.“

Und dort, so Weigandt, treibt das Ungeheuer sein Unwesen. Der Drache sei depressiv und habe im Mühlenturm angefangen, die Wände grau zu streichen. „Doch der dort lebende Turmgeist hatte keine Lust, die ganze Ewigkeit in so einer Atmosphäre zu verbringen. Da fiel ihm ein, dass Stimmung und Raum sehr viel von Farbe und Form beeinflusst werden.“ So habe er vier Graffiti-Gipfelstürmer gerufen, um den Drachen zu vertreiben und seinem Dasein eine farbenfrohe Zukunft zu bescheren. Auf dem Bild in der dritten Etage sieht man eine Szenerie bei der Rückeroberung vom Mühlenturm durch das Quartett.

Die vierte Etage ist geprägt von kalligrafischen Graffiti und verschiedenen Köpfen, einen Engel und außerirdisch anmutenden Gesichtern. Laut Mumm gibt es bei dieser „wilden Symbiose“ keinen direkten und bewussten Bezug zum Mühlenturm, „wobei mir dennoch bei solchen alten Objekten immer wieder dieselben Gedanken durch den Kopf gehen: Unglaublich wie lange dieses Objekt schon existiert“. Wie viele Umbrüche, Kriege, Veränderungen dieses Gebäude schon erlebt habe, „das ist für mich nicht so richtig zu greifen, da es so weit weg ist, und diese Diversität, findet sich auch in meiner Arbeit wieder“.

 Bei der Vernissage der Graffiti-Ausstellung.

Bei der Vernissage der Graffiti-Ausstellung.

Foto: Niersmann

Die fünfte Etage ist bunt. Das Gesicht einer Frau, eine „chillende“ Spaydose, ein Drache, der von einer Spraydose gebändigt wird, und auch der Mühlengeist „Carlos Casamattas“ sind dort zu finden. Althaus lässt die Frau hinterfragend, skeptisch und dennoch bewundernd auf die Malerei schauen. „Diese ist eine Symbiose aus historischen Legenden Gelderns und der Bildsprache der Oldhausschen Graffitikunst.“ Der Künstler selbst entspanne im „Home Street Home“-Look“ in einer ruhigen Ecke. Ein Schrei donnert durch das Fenster und stört die Ruhe. Klar erkennbar sind die Worte „yeah home street home“. Ein Fan steht vor der Tür und will Kunst im Turm bestaunen. Das ist an ausgewählten Tagen noch bis in den Dezember hinein möglich.

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