Landgericht Kleve Haftstrafen für drogenabhängige Gelderner nach Überfall

Geldern/Kleve · (nhen) Um 19.30 Uhr war die Sache dann durch. Nach mehr als siebeneinhalb Stunden Verhandlung verurteilte die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Kleve den 48-jährigen Angeklagten und die 35-jährige Mittäterin zu viereinhalb und fünfeinhalb Jahren Haftstrafe.

 Am Landgericht in der Schwanenburg Kleve fand die Verhandlung statt.

Am Landgericht in der Schwanenburg Kleve fand die Verhandlung statt.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Doch bis dahin war es langer Weg mit einigen überraschenden Wendungen. Dabei hätte alles so einfach sein können.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beschuldigte die beiden Gelderner, einen 33 Jahre alten syrischen Flüchtling unter einem Vorwand in eine Tiefgarage gelockt zu haben, um ihn dort mit einem Baseballschläger zu überwältigen und auszurauben. Soweit so klar die Darstellung. Was dann jedoch die beiden Beschuldigten, die nach eigener Aussage seit Jahren heroinabhängig und im Fall der Mittäterin auch schon mehrfach vorbestraft sind, bei ihrer Vernehmung auftischten, hörte sich gänzlich anders an.

In ihren Ausführungen begannen sie am Vortag, wo bereits ein erster Kontakt zum späteren Opfer entstand. Der Syrer, der zu diesem Zeitpunkt als Schneider in Aldekerk erwerbstätig war, habe die beiden am Bahnhof angesprochen, da er gerade auf Wohnungssuche war. In der folgenden Unterhaltung soll es laut dem Angeklagten zu sexuellen Forderungen seitens des Syrers an seine weibliche Begleitung gekommen sein. Daraufhin habe man das Gespräch beendet. Später am Abend habe sich die Angeklagte dann gegen Anraten ihres Mitbewohners noch einmal mit dem Geschädigten getroffen, um die Sache mit der Wohnung vielleicht doch noch zu realisieren. Dieser habe sie daraufhin in die Tiefgarage gelockt und sei ihr gegenüber dort erneut sexuell aufdringlich entgegengetreten. Ein möglicher Übergriff habe nur durch den beherzten Eingriff des Angeklagten, der ihr doch gefolgt sei, verhindert werden können. „Wäre er nicht eingeschritten, hätte er es wohl geschafft, mich zu vergewaltigen“, waren die letzten Worte der Beschuldigten vor der Urteilsberatung.

Der Syrer, aktuell wegen Kindesmissbrauch inhaftiert, tat sich sichtlich schwer mit der genauen Schilderung der Ereignisse. Das war wiederum gefundenes Fressen für die Verteidigerinnen. In ihren Plädoyers, die insgesamt mehr als eine Stunde in Anspruch nahmen, stürzten sie sich auf jeden noch so kleinen Widerspruch in der Schilderung des Zeugen. Folglich plädierten sie am Ende auf Freispruch. Die Staatsanwältin hatte in beiden Fällen fünf Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Das Gericht ließ sich von der großen Vielzahl an Darstellungen und Nuancen im Tatablauf jedoch nicht beirren und sprach am Ende die Haftstrafe aus.

Als Grund führte es vor allem eines an: Die exakte Schilderung des dynamischen Tathergangs fast ein Jahr später, aus der die Verteidigung so viele Widersprüche extrahiert hatte, sei schlichtweg nicht möglich und vor allem vollkommen „lebensfremd“. „Der Tathergang war viel zu schnell, um ein Jahr später noch eindeutige Aussagen zu machen.“ Hinzu käme ein erfundener Teleskopschlagstock, den die Verurteilten bei ihrer ersten Vernehmung – hierzu wurden mehrere Polizisten befragt – dem Geschädigten zugeschustert hatten, und die „Lügengeschichte“ über das vermeintliche Sexualdelikt.

Im Übrigen sei auch das Motiv klar: die Beschaffung von Geld zur Befriedigung ihrer Drogensucht. Einzig dem Angeklagten habe man noch nach den Vorgaben eines minderschweren Falles von Raub verurteilen können, was vor allem mit seinem leeren Vorstrafenregister und der Tatsache, dass er in der JVA bereits freiwillig Maßnahmen gegen seine Heroinabhängigkeit unternommen hatte, begründet wurde. Strafverschärfend fiel bei beiden die gefährliche Körperverletzung mit dem Baseballschläger ins Gewicht.

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