Hilfsaktion Zur Erholung auf Issums Kamelfarm

Issum · Der Straelener Winfried Claßen hat ein dickes Programm für Kinder aus dem Tschernobyl-Gebiet zusammengestellt. Seit bald 20 Jahren holt der Mann Geschädigte der Nuklearkatastrophe an den Niederrhein.

 Keine Angst vor großen Tieren haben diese Kinder der diesjährigen Tschernobyl-Aktion. Sie waren zu Besuch auf der Issumer Kamelfarm.

Keine Angst vor großen Tieren haben diese Kinder der diesjährigen Tschernobyl-Aktion. Sie waren zu Besuch auf der Issumer Kamelfarm.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Zajed geht in die Knie und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Dromedarwallach kaut bedächtig vor sich hin, während ein Dutzend Kinderhände ihn streicheln. Seinem Kollegen, dem weißen Dromedar Abu, geht es ähnlich. Die Augen halb geschlossen, lässt er sich knuddeln und kraulen. Die vielen Gäste scheinen die beiden nicht wirklich zu stören. Eher genießen sie die Aufmerksamkeit.

Die Gäste haben eine längere Reise hinter sich und machen keinen Hehl daraus, dass sie aufgeregt sind. Die zehn Mädchen, die sich um die beiden Issumer Dromedare drängen, kommen aus der Region um Tschernobyl. Zwei Wochen sind sie zu Besuch am Niederrhein. Eingeladen wurden sie von Winfried Claßen aus Straelen. Er ist der Mann, der im Hintergrund die Fäden zieht, die Gastfamilien organisiert und ein umfangreiches Programm für die Kinder zusammenstellt.

Die Kamelfarm in Issum ist ein Programmpunkt, der bewusst gewählt wurde. „Tiere sind immer schön“, sagt Claßen. Und in Weißrussland hätten die Kinder definitiv nicht die Möglichkeit, so nah an solche exotisch anmutenden Tiere heranzukommen. Erst in der großen Stadt Minsk gibt es einen Zoo, aber nicht in der unmittelbaren Umgebung der Kinder. Seit fast 20 Jahren hat es sich Claßen zur Aufgabe gemacht, Kinder aus der Region um Tschernobyl zur Stärkung ihres Immunsystems an den Niederrhein zu holen. Das Ärzteteam der Kinderkrebsstation in Gomel nennt ihm die Kinder, die dringend eine Erholungsmaßnahme brauchen. Wenn die zehn Mädchen auf den Dromedaren eine Runde um den Platz drehen und sich anschließend im Schatten erholen, ist kaum etwas von ihrer Hintergrundgeschichte zu spüren. Das ändert sich, wenn alle zusammen einen Gottesdienst in der Straelener Kirche St. Peter und Paul besuchen.

„Das ist so eine dreiviertel Stunde, in der ich mir den Beistand hole, dass keinem Kind was passiert“, sagt Claßen. Wenn die Kinder das Vater Unser auf Russisch beten oder in den Fürbitten vorkommt, dass Gott sie beschützen möge, damit sie nicht wieder ins Krankenhaus müssen, dann stehen dem Straelener die Tränen in den Augen. „Einfach mal was zurückgeben“, lautet sein Antrieb.

Dafür holt er regelmäßig viele Leute ins Boot, denn ohne Sponsoren und Gasteltern wäre der Aufenthalt der Kinder nicht möglich. „Wir machen Sonderkonditionen, um das zu unterstützen“, sagt auch Anja Peters von der Kamelfarm. 20 Kamele leben aktuell bei ihr. Andrea und Herbert Jansen erklären noch schnell den Unterschied zwischen Dromedar (ein Höcker) und Trampeltier (zwei Höcker), Kamele sind alle beide. Gegen die Hitze haben die Tiere einen einfachen Trick. „Möglichst wenig bewegen“, sagt Anja Peters lachend.

Nach dem aufregenden Ritt mit dem Wüstenschiff ging es für die Kinder zum Restaurant mit dem großen, gelben „M“. So ein Besuch gehört mit zu den Dingen, die in ihrer Heimat nicht mal eben möglich sind, verrät Claßen. Auch was die praktische Hilfe angeht, kann er auf Unterstützung zählen. Als eine der Dolmetscherinnen plötzlich erkrankte, gab es sofort Hilfe von den Straelener Ärzten Dr. Michael Punzel, Dr. Hans-Ullrich Lagner und Dr. Martin Reich. „Die haben sich super eingebracht“, lobt Claßen. Die Dolmetscherin ist wieder auf dem Weg der Besserung. Und Zahnarztkollege Drs. Hein van Lith aus Wankum war auch sofort zur Stelle bei einem anderem Fall. „Jeder macht ein bisschen was, dann löpt das“, sagt Claßen.

Die Belohnung sind strahlende Kinderaugen. Bis zum 5. August sind die Gäste aus der Tschernobyl-Region noch am Niederrhein, dann geht es mit vielen Erinnerungen zurück nach Hause.

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