Geldern ohne Karnevalszug Der Geisterzug von Geldern

Offiziell war am Sonntag kein Karnevalsumzug in der Herzogstadt. Das wollten die „Rumkugler“ nicht hinnehmen. Mit einem kleinen Wagen zog die 14-köpfige Gruppe dorthin, wo die Jecken trotz allem miteinander feierten.

 Die „Rumkugler“ machen sich auf den Weg. Die unverwüstliche Gruppe ließ sich auch von dem nasskalten Wetter vom Zug durch Gelderns Innenstadt nicht abhalten.

Die „Rumkugler“ machen sich auf den Weg. Die unverwüstliche Gruppe ließ sich auch von dem nasskalten Wetter vom Zug durch Gelderns Innenstadt nicht abhalten.

Foto: Klatt

Tulpensonntag. „Ganz Geldern ist ein Geisterort, denn die Jecken sind alle fort!“ So steht es Schwarz auf Weiß auf einem Schild, das auf einer schwarzen Fläche mit symbolisiertem Sarg festgeheftet ist. Zu sehen auf dem einzigen Wagen beim „48. Tulpensonntagskarnevalstrauerzug“. So nennen die weiß kostümierten Personen ihre Aktion, die sich trotz offizieller Absage des jecken Großereignisses auf den Weg durch die Gelderner Innenstadt machen.

Die 14 Männer und Frauen gehören zum Freundeskreis „Rumkugler“. Seit 33 Jahren ist die Truppe schön kostümiert beim Gelderner Karnevalszug dabei. Dass der dieses Jahr ausfällt, wollen sie nicht hinnehmen. „Es ist traurig, dass es so gekommen ist“, meint Mitgründer Klaus Janßen. Die „Karnevalsverrückten“, wie sie sich selber charakterisieren, wollen sich eine mehr als 50 Jahre alte Tradition nicht kaputt machen lassen. Auf einem Schild am Wagen tun sie kund, wen sie für die Gelderner Karnevals-Misere verantwortlich halten. Die „Facebook-Kritiker“ sollten einfach mal die Klappe halten, meinen die „Rumkugler“. „Ihr notorischen Meckerer habt nicht nachgedacht und damit alles kaputt gemacht.“

 Maria Nickel schminkt Uschi Kostyrok.

Maria Nickel schminkt Uschi Kostyrok.

Foto: Klatt

Es ist 13.26 Uhr, und die „Rumkugler“ machen sich langsam fertig. Die Küche der Familie Nickel auf der Webergasse wird zur Schminkstube. Die Gespenster bekommen ein weißes Gesicht mit blau umrandeten Augen verpasst. Draußen machen die Männer die Schrifttafeln wetterfest, denn die Hoffnung, der Regen möge aufhören, erfüllt sich nicht. Knapp eine Stunde später startet die Gruppe zum „kleinsten Karnevalszug in NRW“, wie einer von ihnen scherzhaft anmerkt.

Mit Gejohle und „Helau“-Rufen geht es auf den Nordwall. Einige Autofahrer grüßen mit Hupe, Lichthupe und Winken zurück. An der Ecke Haagscher Weg wird ein kleiner Junge zum Glückspilz: Die Gruppe überhäuft ihn mit Kamelle. „Klar haben wir Wurfmaterial besorgt“, erklärt Janßen.

 Karla Leurs (r.) sorgte auf der Hartstraße unverdrossen für Stimmung.

Karla Leurs (r.) sorgte auf der Hartstraße unverdrossen für Stimmung.

Foto: Klatt

Die Truppe hat alle Orte, an denen die Gelderner Jecken trotz allem miteinander feiern, zu Stationen ihres Rundgangs erklärt. Das erste Narrentreffen findet auf der Hartstraße statt. Dort haben Karla und Johannes Leurs rund 50 Fetenfreudige um sich geschart. „Lasst uns feiern, das Leben ist traurig genug“, ruft die Geschäftsfrau ins Mikrofon. Als die „Rumkugler“ auftauchen, ist das Hallo groß.

Beim einsamen Raucher vor der „Marktschänke“ herrscht wie zuvor bei den Gästen vom Café Hoenen Verblüffung vor, als die weiße Truppe ihr Gefährt vor der Kneipe parkt. Kurz rein auf ein „Frischgezapftes“, lautet die Losung. Nicht lange, dann erschallt auch im Innern des Lokals ein kräftiges „Helau“.

 In der „Brille“ zogen die Jecken der KKG mit Prinzessin Laura I. (l.) ihr Programm durch.

In der „Brille“ zogen die Jecken der KKG mit Prinzessin Laura I. (l.) ihr Programm durch.

Foto: Klatt

Ein paar Hundert Meter weiter Richtung Osten haben es sich uniformierte Karnevalisten in der „Brille“ gemütlich gemacht. Die Karnevals-Kultur-Gesellschaft (KKG) ist nach der Messe in St. Maria Magdalena ins Vereinslokal am Issumer Tor gezogen. „Es war ein toller Gottesdienst mit Heiner Dresen“, blickt KKG-Präsident Fee Christiana Plaumann auf den Start in den Tulpensonntag zurück. Rund 100 Gäste empfangen die Karnevalisten bei deren Einzug in der „Brille“. Dort fährt die KKG alles auf, was sie dem jecken Volk zu bieten hat. Als die Präsidentin nach dem Auftritt der Piccolinis jeden einzelnen der kleinen Tänzer vorstellt, wird jeder Name mit einem jubelnden „Juhuu“ quittiert. Prinzessin Laura I. verteilt Orden und Bützchen. Unter anderem wird so Norbert Velling gewürdigt, der seit vielen Jahren als Helfer hinter den Kulissen unverzichtbar ist. „Wir feiern hier bis Ende offen“, deutet Christiana Plaumann an, dass dieser Karnevalssonntag noch lange nicht zu Ende ist – auch ohne Zug.

Derweil ziehen die „Rumkugler“ weiter durch Gelderns Straßen. Jeder Passant wird mit lautem „Helau“ begrüßt. Und Kinder bekommen Süßigkeiten und Knabbereien, dass es eine wahre Freude ist. Manche schauen ganz ungläubig drein, bevor sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit macht. Auch die 14 weißen Gespenster haben ihren Kompass in Richtung Osten eingestellt. „Wir werden auf jeden Fall noch in die ,Brille’ gehen, wir wollen ja der KKG noch unsere Aufwartung machen“, heißt es.

Und vielleicht auch mit den offiziellen Karnevalsaktiven über die Zukunft des Gelderner Karnevalszuges sprechen. Denn für die „Rumkugler“ steht fest: „Der Gelderner Zug war gar nicht schlecht, man macht es halt nicht jedem recht. Er war sehr schön für die Kinder und die Alten.“

Und nach dem „Geisterzug“ vom Tulpensonntag 2019 soll nicht Schluss sein. „Genug haben wir noch lange nicht“, lassen die „Rumkugler“ wissen. Doch alleine geht es mit der Gelderner Narretei natürlich nicht weiter. Deshalb haben die „Rumkugler“ auf ihrem Wagen einen flammenden Appell formuliert: „Drum, Jecke, lasst uns zusammenhalten und 2020 wieder einen Karnevalszug gestalten.“

„Ich finde die Aktion gut“, meint ein Zuschauer vor der „Marktschänke“. Doch wegen des Fortbestands des Gelderner Zuges ist er skeptisch. „Ich glaube nicht, dass es im nächsten Jahr einen Karnevalsumzug gibt.“

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