Geldern Tod in der Polizeizelle: Zweifel einer Zeugin

Geldern · Könnte der 44-Jährige, der in der Gelderner Polizeiwache starb, noch leben, wenn er in ein Krankenhaus gebracht worden wäre? Offenbar war er schwerst alkoholisiert - und angeblich hat er nicht randaliert.

Geldern: Tod in der Polizeizelle: Zweifel einer Zeugin
Foto: van Offern, Markus

Zum "Randalieren" sei der sturzbetrunkene 44-Jährige, der in der Nacht zu Sonntag in der Gewahrsamszelle der Gelderner Polizeiwache gestorben ist, überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen. Vielmehr habe er sich in völlig hilfloser Lage befunden. Das erklärt gegenüber der RP jetzt eine Frau, die am Samstagabend auf der "Fiesta Europa" in Kevelaer Zeugin wurde. "Vor der Bühne saßen drei Männer, augenscheinlich Obdachlose. Die haben Schnaps getrunken", schildert sie die Situation. Eine Weile hätten sie eine Flasche herumgereicht. "Und irgendwann lag einer am Boden und bewegte sich nicht mehr." Die Betreiber eines Standes hätten den Ohnmächtigen beiseite getragen: "Da war der überhaupt nicht mehr ansprechbar. Er zeigte gar keine Regung."

Sie selbst wählte den Notruf, weitere Umstehende holten Wasser, legten dem Bewusstlosen die Beine hoch. Kurz darauf trafen Sanitäter ein und versorgten den Betrunkenen. Als er wieder erwachte, hätten sie ihn mitnehmen wollen, "aber das wollte der wohl nicht". Daraufhin hätten die Helfer die Polizei gerufen, die den Mann wegbrachte. Zu keinem Zeitpunkt aber habe der Betrunkene "randaliert", wie es im Bericht der Polizei ausdrücklich heißt. Er habe sich überhaupt nicht aggressiv verhalten, habe nur den Transport ins Krankenhaus abgelehnt.

Die Polizei kommentiert diese Aussagen nicht. "Wir ermitteln intensiv", sagte gestern Acor Kniely von der Polizeibehörde Krefeld, die mit dem Fall befasst ist. Was genau an dem Abend geschehen sei, ist Gegenstand laufender Nachforschungen. Prinzipiell gebe es die Möglichkeit, Menschen auch gegen ihren Willen in ein Krankenhaus einzuweisen, "wenn akute Gefahr fürs Leben besteht und man diese auch erkennt". Ob die Sanitäter oder die Polizisten vor Ort hätten feststellen müssen, dass der 44-Jährige sterben könnte: "Auch das ist Gegenstand der Ermittlungen."

Kniely warnte vor vorschnellen Urteilen. Sobald ein Mensch bei Bewusstsein sei, seien zwangsweise Einlieferungen "so eine Sache". Und es geschehe immer wieder, dass auch scheinbar bis zur Hilflosigkeit betrunkene Menschen auf einmal ausrasteten.

Die junge Frau, die den Notruf gewählt hatte, versichert jedoch, dass der Mann zumindest bis zu seinem Abtransport durch die Polizei keinerlei Anstalten dazu gemacht habe. Lediglich einer der beiden anderen Obdachlosen in seiner Begleitung habe herumgebrüllt.

Hingegen hätten die beiden herbeigerufenen Polizisten "relativ gereizt" auf die Situation reagiert, führt sie weiter aus. "Da wurde teilweise geschrien", und ein Beamter habe den 44-Jährigen beim Abtasten und Verfrachten in das Polizeiauto "übertrieben hart angefasst - das ist jedenfalls meine Einschätzung", berichtet die Frau.

Ergebnisse über die Todesursache lagen bis gestern nicht vor. Die Blutalkoholwerte des Mannes wurden ebenfalls nicht bekanntgegeben. "Wir haben auch noch keine Rückmeldung, was die Ermittlung möglicher Verwandter angeht", so Acor Kniely. Der Tote war wie berichtet polnischer Staatsangehöriger, es gab keine Hinweise auf Familienmitglieder in Deutschland.

Die beteiligten Beamten von der Gelderner Wache werden psychologisch betreut. Das sei Routine, wenn "belastende Ereignisse stattfinden", stellte Acor Kniely fest.

(RP)
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