Geldern Tausche Jeans gegen Sari

Geldern · Ein Jahr lang wird Eva Boekholt in Indien arbeiten. Die studierte Sozial- und Organisationspädagogin wird ein gemeinnütziges Projekt für Menschen mit Behinderung begleiten. Sie will vor allem wenig Vorurteile mitnehmen.

 Da geht's hin. Eva Boekholt startet heute in eine für sie ganz neue, unbekannte Welt und einen neuen Alltag.

Da geht's hin. Eva Boekholt startet heute in eine für sie ganz neue, unbekannte Welt und einen neuen Alltag.

Foto: Markus van Offern

Hitze statt Schnee, Reisen mit leichtem Gepäck, das ist der Plan von Eva Boekholt aus Goch. Am 10. Januar geht ihr Flieger nach Bangalore in Indien. "Diese komplett neue, andere Welt reizt mich ziemlich", sagt die 23-Jährige. Vor den legendären Stromausfällen hat sie keine Angst. "Darauf kann man sich vorbereiten." Und auch sonst ist sie positiv gestimmt. "Das Mobilfunknetz soll dort mittlerweile ziemlich gut sein."

Ein anderes Land als Indien wäre für sie gar nicht in Frage gekommen. "In Australien hätte ich das Gefühl, alle naselang einen Deutschen zu treffen. Für Urlaub, ja, aber um ein Land kennen zu lernen, nein."

Ein ganzes Jahr wird sie, unterstützt vom Weltwärts-Programm, in der Acht-Millionen-Stadt Bangalore für Menschen mit Behinderung da sein. Für sie ist das keine völlig neue Erfahrung. Schon für das Studium hat sie im Vorpraktikum bei Haus Freudenberg in Goch mitgearbeitet. Trotzdem ist sie gespannt, wie die Arbeit mit behinderten Menschen in 7612 Kilometern Entfernung aussieht.

"Das Projekt APD wirbt damit, dass es Teil einer neuen Bewegung ist, um auch Behinderten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen", sagt Eva Boekholt. APD steht für "The Association for people with disability", also Verband für Menschen mit Behinderung.

Klar werde sie da Vergleiche anstellen mit dem, wie es hier und heute in Deutschland mit der Gleichstellung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ausschaue. Um ihren Blick zu schärfen, hat sie sich vorgenommen, analog zu fotografieren. Nicht digital mit der Option, Dinge zu fotografieren und wieder zu löschen.

Was ihr wichtig ist: Offenheit gegenüber der Gesellschaft. "Ich versuche, dort möglichst nicht mit vorgefertigten Meinungen hinzugehen", sagt sie. Im zehntägigen Vorbereitungsseminar ging es auch um das Thema Sicherheit. Indien ist mehrfach durch Massenvergewaltigungen in die Schlagzeilen geraten. "Ich bin mir bewusst, dass ich mich an bestimmte Spielregeln halten muss, die ich aber auch in Deutschland habe", sagt die 23-Jährige. Für Indien heißt das, sie wird sich an einen Bekleidungskodex halten. "Nicht zu viel Ausschnitt", nennt sie als konkretes Beispiel. Allerdings werde sie sich ohnehin, um keinen Sonnenbrand zu bekommen, bedeckt halten.

Was die Sprache angehe, da setzt sie voll und ganz auf die Amtssprache Englisch. In dem Bundesstaat, in dem sie arbeitet, in Karnataka, wird außerdem Kannada gesprochen. "Ich versuche, das so gut wie möglich zu lernen", sagt Eva Boekholt. Vorab hatte sie dazu keine Gelegenheit. "In Deutschland gibt es leider keine Sprachkurse dazu, nur in Hindu."

Vor der Währungsumstellung, die gerade über das Land schwappt, fürchtet sie sich auch nicht. "Man muss sich darauf einstellen, dass man Wartezeit einplant, um an Bargeld zu kommen." Außerdem gebe es da noch den Asia-Korrespondenten in Berlin, der für solche Belange Ansprechpartner ist. Es sei beruhigend, jederzeit Kontakt aufnehmen zu können, sagt Eva Boekholt: "Deswegen habe ich auch eine Organisation gewählt, damit ich Unterstützung habe."

Allerdings muss sie 2700 Euro für die Reise selber aufbringen. Sie wolle verschiedene Firmen ansprechen, und während des Studiums hat sie nebenher als pädagogische Fachkraft Geld verdient. Zu Weihnachten hat sie sich einen vernünftigen Rucksack für die Reise gewünscht. Klamotten will sie allerdings nur für ein oder zwei Wochen mitnehmen, auch wenn sie ein Jahr bleibt. "Westliche Kleidung ist einfach zu warm", sagt sie. Bei 40 Grad aufwärts wird sie sich mit landestypischer Kleidung eindecken.

Gibt es eigentlich einen Plan B? "Bevor ich komplett abbreche, gibt es die Möglichkeit, in einem anderen Projekt zu arbeiten. Aber ich kann es mir nicht vorstellen", sagt Eva Boekholt. Sie versuche sich einzugewöhnen, auch wenn das vielleicht ein paar Monate dauere. Und für die Zeit danach hat sie sich den Master vorgenommen.

Jetzt heißt es aber erst einmal: ein Jahr Indien. Zwischendurch wird sie in einer Kolumne auf unserer Seite "Fürs Leben" von ihren Erlebnissen berichten.

Wer die Gocherin bei ihrem Vorhaben finanziell unterstützen möchte, kann ihr eine Mail schreiben an: evaboekholt@web.de.

(RP)
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