Zielscheibe Weshalb der Fußball keine runde Sache ist

Geldern · Weisheiten können nerven: Beispiele gefällig? "Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir." Wer gerade pubertäre Pickel ausdrückt, hat andere Probleme. Auch "Morgenstund' hat Gold im Mund" gehört zur Kategorie unsäglicher Weisheiten: Die ultimative Verbal-Folter für jeden Nachtmenschen, der verschlafen kontert: "Der frühe Vogel ist schnell müde!"

Die schlimmste aller Binsenweisheiten brachte aber - natürlich, wer sonst? - der Fußball hervor. Wo das "nächste Spiel immer das schwerste" ist, das Tor "zur richtigen Zeit fällt" und der Sechser ungefragt "abkippt", lautet das Fußball-Credo: "Der Ball ist rund." Das behauptete jedenfalls Sepp Herberger, der kauzige Ex-Nationaltrainer, der Nachkriegsdeutschland das "Wunder von Bern" bescherte.

Doch Herberger hat Unrecht: Er ist nicht rund, der Ball. Zumindest nicht bei uns in Broekhuysen. Von zehn neuen Pillen, angeschafft für die A-Jugend in dieser Saison, geht neun permanent die Luft aus. Und acht laufen auch gut gefüllt nicht rund, sondern eiern herum, als wären Sie lieber beim Rugby.

Aber weshalb ärger' ich mich eigentlich? In einer Zeit, in der Erdbeerjoghurt gerade mal sechs Prozent Fruchtanteil, sprich eine halbe Erdbeere, enthält und der "Walbecker Spargel" nicht zwangsläufig aus Walbeck stammt, braucht natürlich auch der Ball nicht rund zu sein.

Der Fußball muss nicht nur nicht rund sein, er kann es gar nicht! Laut Paul Schranz, Mathematikprofessor in Baumgartenberg, hat ein klassischer Fußball sechzig Ecken, neunzig Kanten und zweiunddreißig ebene Flächen, ist also so gesehen weit von der Kugelform entfernt.

Produktionstechnisch ist das vorgegeben: Da man, kurz gesagt, die Oberfläche einer Kugel nicht auf ein Blatt Papier zeichnen kann, wird die Oberfläche von Fußbällen bestmöglich durch ebene Figuren genähert. Gelingt die Annäherung gut, nennt man das Ding Ikosaeder. Der offizielle Spielball der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien war verdammt gut angenähert und soll gerade mal 0,9 Prozent von der Kugelform abgewichen sein. Ich habe zwar noch nicht nachgemessen: Aber unsere "Ikosaeder" in Broekhuysen weichen gefühlte 90 Prozent von der Kugelform ab.

Wie dem auch sei: Den Profis ergeht es prinzipiell ja nicht anders. Auch beim FC Bayern ist der Ball nicht rund, sondern nur prozentual besser angenähert als bei uns. Insofern kann ich mich am Ende des Spieltages beruhigt zurücklehnen - vorausgesetzt das Runde (pardon der Ikosaeder) ist häufig genug im gegnerischen Eckigen eingeschlagen...

AUTOR MICHAEL MEENEN IST ALS JUGENDTRAINER IM GELDERLAND IM EINSATZ.

(mime)
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