Interview mit Inka Grings „Es wird uns wahnsinnig viel genommen“

Straelen · Die Trainerin spricht über die Situation des designierten Regionalligisten SV Straelen und Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga. Außerdem verrät die ehemalige Nationalspielerin, wie sie ihre Zeit in der Corona-Krise verbringt.

 Inka Grings ist stolz auf ihre Mannschaft. „Sie hat Großartiges geleistet“, sagt die Trainerin des SV Straelen.

Inka Grings ist stolz auf ihre Mannschaft. „Sie hat Großartiges geleistet“, sagt die Trainerin des SV Straelen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Trainerin Inka Grings hängt mit dem Fußball-Oberligisten SV Straelen irgendwie noch in der Schwebe. Eigentlich gibt es keinen Zweifel daran, dass die Mannschaft, die mit 21 Punkten Vorsprung vor den Verfolgern an der Tabellenspitze steht, in der kommenden Saison wieder in der Regionalliga auflaufen wird. Zumal kein anderer Oberligist die Lizenz für die vierthöchste Klasse beantragt hat. Doch der SV Straelen kann sich seiner Sache halt erst hundertprozentig sicher sein, wenn der Saison­abbruch wegen der Corona-Krise und die daraus resultierende Wertung der Spielzeit, an der die Funktionäre derzeit tüfteln, auch offiziell von einem Verbandstag verabschiedet worden ist. Die Rheinische Post sprach mit der 41 Jahre alten früheren Nationalspielerin über diese Situation, ihre Arbeit als Trainerin während der Corona-Pandemie und die Geisterspiele in der Fußball-Bundesliga.

Wissen Sie eigentlich noch, wann Sie zuletzt mit Ihrer Mannschaft auf dem Platz gestanden haben?

Inka Grings Das ist eine Frage, die ich so schnell nicht ganz genau beantworten kann. Es war irgendwann Mitte März. dann wurde die Saison ja unterbrochen. Wir haben dann aber noch sieben Wochen sehr intensiv trainiert.

Wie sah das Training aus?

Grings Die Spieler haben erst individuell nach von mir erstellten Plänen gearbeitet. Als dann feststand, dass es so schnell oder überhaupt nicht weitergehen würde, haben wir dreimal in der Woche per Videokonferenz in Zehner-Gruppen trainiert, um den Teamgeist aufrechtzuerhalten. Das hat Spaß gemacht, weil die Spieler sich untereinander gesehen haben und ich die Spieler. Seit einigen Tagen trainieren wir nicht mehr. Wir haben Sommerpause.

Fühlen Sie sich schon als Oberliga-Meister und Regionalliga-Aufsteiger?

Grings Irgendwie nicht. Weil noch nichts endgültig beschlossen ist, ist es für mich etwas schwierig, gedanklich schon so weit zu gehen. Die momentane Situation ist unbefriedigend, nicht nur für den SV Straelen, sondern für alle Vereine. Wenn man allerdings sieht, wie deutlich sich die Vereine bei der Online-Umfrage für einen Saisonabbruch mit Aufsteigern, aber ohne Absteiger ausgesprochen haben, müssen wir eigentlich keine Zweifel mehr haben. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir aufgestiegen sind, obwohl wir das noch nicht schwarz auf weiß haben.

Und wie fühlt sich dieser Erfolg an?

Grings Es tut mir wahnsinnig leid, dass wir so etwas Großartiges geschafft haben und uns noch nicht dafür belohnen dürfen. Das ist bitter, aber vielleicht auch ansatzweise Klagen auf hohem Niveau. Denn wichtig ist vor allem, dass wir in Deutschland die Corona-Krise bislang sehr gut gemeistert haben. Fakt ist, dass wir eine großartige Saison gespielt haben. Die Mannschaft hat unheimlich viel dafür investiert, teilweise sechs oder sieben Mal die Woche trainiert. Das, was wir geleistet haben, nimmt uns keiner mehr. Aber es ist uns auch wahnsinnig viel genommen worden. Denn es gibt nichts Schöneres, als eine Meisterschaft nach einer gewonnenem Partie mit den Spielern, mit dem Team drumherum und den Fans zu feiern.

Wird das nachgeholt?

Grings Wir überlegen noch, ob man irgendwann irgendwie noch eine Art Saisonabschluss feiern kann.

Verstehen Sie, warum der Abbruch und die Wertung der Saison immer noch nicht beschlossene Sache ist?

Grings Ich konnte es die ersten fünf bis sechs Wochen absolut nachvollziehen, dass man sich mit der Entscheidung Zeit gelassen hat, weil es eine extreme Ausnahmesituation ist. Inzwischen ist es für mich nicht zuletzt aufgrund des eindeutigen Resultats der Online-Abstimmung aber irgendwie langsam nicht mehr tragbar. Ich tue mich schwer damit, jetzt noch drei oder vier Wochen auf eine Entscheidung zu warten, auch wenn klar ist, wie sie ausfallen wird. Die Planungen für die neue Saison werden auch immer schwieriger, weil vieles schon so lange in der Schwebe ist.

Was macht eine Trainerin während der Corona-Krise?

Grings Ich habe mir sehr intensiv viele unserer eigenen Spiele noch einmal auf Video angeschaut, gerade die Partien, in denen es nicht so deutlich für uns gelaufen ist, um zu analysieren, woran es gelegen haben könnte. Ich habe mir zudem Spiele der Regionalliga angesehen. Das habe ich vor allem in den ersten vier Wochen der Pause gemacht. Aber ich habe die Zeit dann auch genutzt, um unseren Garten zu verschönern und viel gelesen. Und ich habe mich viel um unsere beiden Hunde gekümmert.

Und wann wird es mit dem Amateurfußball Ihrer Meinung nach wieder losgehen?

Grings Ich habe leider keine Glaskugel. Letztendlich hängt es an uns, an unserer Gesellschaft, wie wir uns in dieser Krise weiter verhalten. Man muss keine Panik machen, sich aber trotz aller Lockerungen mit Bedacht und Verstand verhalten, achtsam mit sich und seinen Mitmenschen sein. Ich hoffe und plane gedanklich so, dass es vielleicht Anfang August wieder losgeht. Aber wir können alle nur abwarten und auf neue Beschlüsse der Regierung warten.

Wie bereiten Sie die neue Saison derzeit vor?

Grings Aktuell mache ich vom Kopf her eine Pause vom Fußball. Mit der neuen Saison werde ich mich in den nächsten Tagen erst einmal nicht beschäftigen.

Schauen Sie sich denn die Geisterspiele in der Bundesliga an?

Grings Selbstverständlich. Denn für mich als Trainerin ist es sehr interessant, die Spieler in einer anderen Situation zu beobachten. Diese Geisterspiele sind eine besondere Konstellation. Man sieht viel mehr als in normalen Bundesliga-Partien.

Inwiefern sieht man mehr?

Grings Dass die Emotionalität einer Partie vor Tausenden von Fans jetzt fehlt, das kann den einen Spieler hemmen, einem anderen aber auch extrem helfen, weil er mental aktuell nicht so belastet ist. Man kann den Charakter von Teams kennenlernen in einer Situation, in der sie eigentlich Fans brauchen würden, die sie pushen. Da sieht man dann, wie eine Mannschaft inklusive Trainer aufgestellt ist. Das muss ich nicht eine ganze Saison haben, aber für eine gewisse Zeit finde ich das eine mega-interessante Konstellation. Ich glaube auch, dass die eine oder andere Partie mit den Fans als zwölftem Mann im Rücken gekippt wäre.

Halten Sie Geisterspiele im Amateurfußball für denkbar?

Grings Der Amateurfußball braucht Zuschauer – nicht wegen der Einnahmen, sondern wegen der Nähe der Fans und Spieler. Wo es in erster Linie um den Spaß am Sport geht, gehören Zuschauer einfach dazu. Mit Geisterspielen würde man den Amateurfußball kaputt machen.

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