Interview mit Julius Kühn „Natürlich geht der Blick nach ganz oben“

Kerken · Der Nationalspieler aus Kerken-Stenden spricht im Interview über die Pläne mit dem Bundesligisten MT Melsungen und seine Rolle im DHB-Team. „Fest steht, dass man Tag für Tag seine Leistung bringen muss, um berücksichtigt zu werden“, sagt der 27-Jährige.

 Bei der EM überzeugte auch Julius Kühn (am Ball) die deutschen Fans. Das Spiel um Platz fünf gegen Portugal gewann das DHB-Team mit 29:27.

Bei der EM überzeugte auch Julius Kühn (am Ball) die deutschen Fans. Das Spiel um Platz fünf gegen Portugal gewann das DHB-Team mit 29:27.

Foto: dpa/Sascha Klahn

Der in Kerken-Stenden aufgewachsene Julius Kühn begann seine Handball-Karriere beim TV Aldekerk. Sowohl in der Bundesliga bei der MT Melsungen als auch in der Nationalmannschaft ist er seit einigen Jahren eine feste Größe. Im RP-Interview spricht der 27-jährige Rückraumschütze nicht nur über Handball, sondern lässt auch einige private Dinge durchschimmern. Außerdem erklärt er, wie er sich seine Zukunft im Nationalteam vorstellt.

Sind Sie im regelmäßigen Kontakt mit ihrer Familie? Wie oft lassen Sie sich noch zu Hause in Stenden blicken?

Julius Kühn In letzter Zeit war ich recht oft zu Hause. Meine Familie kommt regelmäßig zu unseren Heimspielen und auch so haben wir ständig Kontakt. Zu Familienfesten oder sonstigen wichtigen Anlässen bin ich nach wie vor da.

Sind Sie noch einigermaßen auf dem Laufenden, was den ATV betrifft? Was halten Sie von der Entscheidung des Vereins, auf den möglichen Aufstieg des Frauen-Teams in die Zweite Liga zu verzichten?

Kühn Ich denke schon, dass ich noch recht gut über den ATV informiert bin. Meine Schwester Pia spielt beim ATV in der ersten Damen-Mannschaft. Für die Spielerinnen war es sicher sehr schade, nicht die Möglichkeit zu haben, in die Zweite Liga aufzusteigen. Aber aus Sicht der Vereinsführung war es wohl eine nachvollziehbare Entscheidung.

Wann waren Sie das letzte Mal in der Vogteihalle?

Kühn Da muss ich kurz überlegen. Ich meine, das ist jetzt zwei Jahre her. Da habe ich mir ein Spiel meiner Schwester mit der Damen-Mannschaft angeguckt.

Seit 2017 spielen Sie für die MT Melsungen und wohnen zusammen mit ihrer Freundin in Kassel. Sie haben ihren Vertrag für weitere vier Jahre bis 2024 verlängert. Wird nach Ihrer Handball-Karriere Nordhessen zum neuen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen?

Kühn Ich fühle mich in Kassel sehr wohl und hier lässt es sich sehr gut leben. Aber dennoch glaube ich, dass es mich irgendwann wieder in Richtung „alte Heimat“ ziehen wird.

2024 werden Sie 31 Jahre alt. Wie lange kann man als Handballer, sofern man von schwerwiegenden Verletzungen verschont bleibt, auf ganz hohem Niveau spielen?

Kühn Ich habe es ja selber am eigenen Leib erfahren, wie schnell man sich verletzten kann. Dadurch ist mir die WM im eigenen Land durch die Lappen gegangen. Aber wenn man wirklich gesund bleibt, kann man durchaus noch als 35-Jährigen in der Bundesliga spielen.

Wie weit ist eigentlich Ihr Fernstudium im Fach Wirtschaftswissenschaften fortgeschritten, und welche beruflichen Perspektiven können sich nach dem Studium für Sie ergeben?

Kühn Ich bin jetzt im sechsten von neun Fachsemestern. Aber als Handball-Profi kann ich natürlich nicht wie die anderen studieren. Dazu fehlt mir einfach die Zeit. Wichtig ist, dass ich neben dem Handball noch was mache und den Kopf fit halte. Einen genauen Plan, wie meine berufliche Zukunft aussehen wird, habe ich noch nicht. Vielleicht ergibt sich ja was in Verbindung mit dem Handballsport – einfach mal abwarten.

Wäre dann auch die Zeit reif, sich Gedanken über eine Familienplanung zu machen?

Kühn Alles kommt zu seiner Zeit und irgendwann kommt man in das Alter, sich auch darüber Gedanken zu machen.

Für die neue Saison hat sich Ihr Verein mit Silvio Heinevetter, Timo Kastening und dem isländischen Nationalspieler Arnarsson prominent verstärkt. Will man nun in Melsungen die Spitze angreifen, um zumindest international mitspielen zu können?

Kühn Natürlich geht der Blick nach ganz oben, aber das ich nicht erst seit den Neuverpflichtungen so. Uns hat in den letzten Spielzeiten die Beständigkeit gefehlt, um mit den anderen Spitzenklubs mithalten zu können. Mit den neuen Spielern erhoffe ich mir, dass wir über die ganze Saison konstant gute Leistungen abliefern können und am Ende weiter oben in der Tabelle landen werden.

Wie lauten Ihre Ziele als Handballer für die nächsten Jahre?

Kühn Auf Vereinsebene möchte ich schon ganz gerne mal einen Titel gewinnen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 war für mich ein eindrucksvolles Erlebnis. Deshalb hoffe ich, bei Olympia 2021 in Tokio wieder dabei zu sein. Und mit der Nationalmannschaft den einen oder anderen Erfolg einfahren, wäre schon eine tolle Sache.

König Fußball hat es vorgemacht und seit Wochen wieder das Training unter besonderen Voraussetzungen aufgenommen. Wie sieht es bei den Handballern aus?

Kühn Unsere Saison wurde bereits frühzeitig beendet. Natürlich bekommen wir Vorbereitungspläne, damit wir uns fit halten. Aber die eigentliche Vorbereitung für die neue Saison hat noch nicht begonnen. Es macht als Handballer auch keinen Sinn, zu trainieren und dabei den Sicherheitsabstand einzuhalten. Das geht ganz einfach nicht. Den Saisonabbruch habe ich für die richtige Entscheidung gehalten. Prognosen, wie es nun weitergehen könnte, kann ich wirklich keine stellen, weil sich wegen der Pandemie fast täglich was ändert.

Thema Nationalmannschaft: Nach der verpassten Weltmeisterschaft haben Sie Anfang 2020 eine souveräne Europameisterschaft gespielt. Aber warum hat Bundestrainer Christian Prokop Sie nicht in der Abwehr spielen lassen?

Kühn Das sind so eine Frage, die man besser dem ehemaligen Bundestrainer stellt. In der Vereinsmannschaft spiele ich regelmäßig in der Abwehr.

Haben bereits Gespräche mit dem neuen Nationaltrainer, Alfred Gislason, stattgefunden? Sind Sie für die Nationalmannschaft auf Ihrer Position im linken Rückraum gesetzt?

Kühn Vor zwei Monaten hatten wir einen Lehrgang mit der Nationalmannschaft. Alfred Gislason ist schon eine echte Persönlichkeit, der als Trainer schon fast alles gewonnen hat. Fest steht, dass man Tag für Tag seine Leistung bringen muss, um berücksichtigt zu werden. Aber ich bin da ganz zuversichtlich, dass ich meinen Platz in der Nationalmannschaft finden werde.

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