Leichtathletik Halb Indianerhäuptling, halb Zatopek

Geldern · Johannes Pieper ist 80 Jahre alt. Der in Veert wohnende Leichtathlet ist jung geblieben. Heute spielt er Golf, als Jugendlicher rannte er tolle Zeiten über die Mittelstrecken. Später reiste er als Marathonläufer um die Welt.

 Eine Hand voller Medaillen und Akkreditierungskarten: Johannes Pieper blickt auf eine sportlich reich gefüllte Zeit zurück.

Eine Hand voller Medaillen und Akkreditierungskarten: Johannes Pieper blickt auf eine sportlich reich gefüllte Zeit zurück.

Foto: Gerhard Seybert

Johannes Pieper sieht wirklich so aus, wie man sich einen Marathonläufer vorstellt: Sportpulli, Turnschuhe, Waschbrettbauch. Der 80-Jährige, ein Kopf halb Indianerhäuptling, halb Emil Zatopek, ist fit. Das ist der erste Eindruck: Der Mann wirkt auch viel jünger, als man ihn sich vorgestellt hat. Und wie sieht das Leben eines Mannes aus, der nicht mehr Schritte voller Willen auf den Asphalt setzt? Er stehe früh auf, mache intensiv Hanteltraining und Gymnastik.

Vor dem Mittagessen sei dann noch Zeit für den Garten und die Hobbys, wie er schmunzelnd sagt. Seiner Frau Monette und ihm ist es aber auch wichtig, spontan irgendwo hinzufahren. Für beide bedeutet das frei zu sein, sie haben ja keinen Druck mehr. "Das ist für uns eine schöne Zeit", sagt der Veerter und legt die Hände auf seinen Waschbrettbauch.

Auch wenn er als Marathonläufer nicht mehr aktiv ist, so ist der runde Geburtstag doch ein willkommener Anlass für ein Gespräch mit dem ehemaligen Mitglied des Stadtrates, dessen Frau übrigens seinerzeit erfolgreich für das Bürgermeisteramt kandidierte. Und es ist wie in alten Tagen, wenn die Presse ruft. Er will sich ihr nicht verweigern Er kommt also wie ausgemacht - und wie eh und je überpünktlich. Sich treffen und reden über "vergangene Zeiten" und vielleicht auch den ein oder anderen Ausblick wagen auf Kommendes - so war das telefonisch vorgetragene Anliegen. Später mehr.

Johannes Pieper, geboren und aufgewachsen in Waltrop, war ein hochveranlagter Mittelstreckenläufer, dem die Trainer damals zu den Distanzen über 800 und 1000 Meter rieten. Das waren seine Strecken, und sie entsprachen auch dem Talent des 16-Jährigen, das daheim jede Menge Medaillen und Pokale in die Schubladen steckte - auch die Bestzeiten und Rekorde fanden dort einen Platz. Seine Leistungsfähigkeit auf diesen Strecken waren letztendlich entscheidend für die Erfolge auf den Aschenbahnen.

Manchmal ist es nur eine Zahl, die elektrisiert. Oder genauer: Nach einem schnellen Rennen notierte man auf einem Zettel 2:37 - damals eine tolle Zeit über 1000 Meter. Später verbesserte er sie sogar auf 2:33. Das erregte Aufmerksamkeit und brachte ihm die "Goldene Nadel" des Verbandes ein. Es war wohl der Höhepunkt in seiner jungen Karriere. Aber wie das so ist im Leben - es kam was dazwischen: Der talentierte Läufer hörte abrupt mit dem Sport auf. Ein wenig klingt seine Geschichte an dieser Stelle nach einer Szene, die aus dem Film "Forrest Gump" stammen könnte. Darin spielte Tom Hanks den Titelhelden, der seine Freundin verliert und einfach zu laufen anfängt, bis er für immer abrupt stehen bleibt.

 Am 4. Juni 2001 stand Johannes Pieper (M.) beim Weezer Pfingstlauf noch einmal ganz oben auf dem Siegerpodest. "Ein schönes Ende", überschrieb er das Bild.

Am 4. Juni 2001 stand Johannes Pieper (M.) beim Weezer Pfingstlauf noch einmal ganz oben auf dem Siegerpodest. "Ein schönes Ende", überschrieb er das Bild.

Foto: Seybert, Gerhard (seyb)

Wie gut, Johannes Pieper hat seine Freundin glücklicherweise nicht verloren. Aber was für eine Wandlung: Nachdem seine Karriere als Bahnläufer so überraschend schnell zu Ende ging, hielt er sehr viel später den ersten Marathon-Trainingsplan in den Händen. Als er den Plan sah mit den vielen Kilometern, die er zu laufen hatte, war er zunächst überhaupt nicht angetan. "Ich habe gedacht, das schaffe ich nie im Leben", sagt er heute dazu. Damals spielte offensichtlich der Kopf noch nicht mit. Zweitens schreckte ihn wohl auch ein bisschen die Trainingsperspektive ab. Aber dann gefiel ihm der Marathon immer mehr. Mit der gleichen Entschlossenheit, die er als 16-Jähriger auf der Mittelstrecke gezeigt hatte, kam er in Boston, New York und Kalifornien ins Ziel. Hundertprozentig war er für den Sport da.

Ein Marathon ist überall dort, wo nicht allzu viele Ehrendenkmäler verrückt werden. 42,195 Kilometer lang. In Paris waren 18 000 Läuferinnen und Läufer auf dem Kurs, als Johannes Pieper ebenfalls die Strecke bewältigte. Nach 3:04 Stunden wurde er in seiner Altersklasse als Dritter mit einer Medaille ausgezeichnet. In Kopenhagen wurde er wieder mit dem dritten Platz in seiner Altersklasse geehrt. Da war er schon mehr als 60 Jahre alt. So viel ist sicher: Der jetzt 80-Jährige, der als Marathonläufer stets im Trikot des TSV Weeze an den Start ging, ist dabei jung geblieben. Er ist im Übrigen auch den von seinem Verein ausgerichteten Halbmarathon erfolgreich gelaufen. 2001 war er dort Sieger in seiner Altersklasse. Fakt ist: Weitere Marathon-Planungen gibt es nicht: Ein Knie ist wackelig geworden.

Da der umtriebige Veerter mit dem Laufen aufgehört hat, konnte er seine Geschichte jetzt auch erzählen.

Das Wasser, der Wind, das Grün: Monette und Johanes Pieper haben den Golfsport für sich entdeckt. Mit guten Freunden gehen sie jetzt gemeinsam auf eine neue Runde. Neue Lebenslust.

(hem)
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