Fußball Carlos Girnt pendelt zwischen Spitzenküche und Videokamera

Straelen · Der frühere Profi-Torwart entlarvt als Analyst die Tricks der Gegner des Fußball-Oberligisten SV Straelen – wenn er nicht gerade mit Nelson Müller am Herd steht.

Carlos Enrique Girnt mit seinem wichtigsten Utensil, der Videokamera. Für den SV Straelen ist er als Analyst tätig. Hauptberuflich gehört er zum Team von Spitzenkoch Nelson Müller.  Foto: Privat

Carlos Enrique Girnt mit seinem wichtigsten Utensil, der Videokamera. Für den SV Straelen ist er als Analyst tätig. Hauptberuflich gehört er zum Team von Spitzenkoch Nelson Müller. Foto: Privat

Foto: Privat

(ütz) Inka Gings hatte Carlos Girnt bereits im Schlepptau, als sie vor einem Jahr als Trainerin zum SV Straelen kam. Seine Aufgabe lautet: Von der Tribüne aus das Geschehen auf dem Rasen zu erfassen. Dazu operiert er mit einem ausgeklüngelten Video-System, wie es unter anderem auch von vier Analysten des Bundesligisten TSG Hoffenheim genutzt wird. Nichts entgeht ihm. Drei Laptops und eine Videokamera gehören zu seiner Standardausrüstung.

Girnt macht nichts heimlich, er spioniert nicht. Er stellt sich bei fremden Vereinen immer vor. Das gehört sich so. Der 66-Jährige ist längst zum festen und unverzichtbaren Bestandteil des Trainerteams um Inka Grings geworden. Girnt ist Video-Analyst, Spielbeobachter und in Sachen Torwartanalyse ein absoluter Fachmann. 18 Jahre stand er als Profi zwischen den Pfosten. Zuletzt bis 1994 in der zweiten spanischen Liga für RCD Mallorca und Deportivo Cala d´Or. Er hat sich zum Torwarttrainer ausbilden lassen und besitzt in dieser Sparte die höchste Trainerlizenz.

Gegner-, Eigen- und Trainingsanalyse, Spielnachbearbeitung, Scouting – da stellt sich die Frage, ob dieser Umfang für ein Oberliga-Team tatsächlich nötig ist oder ob da beim SV Straelen nicht etwas zu dick aufgetragen wird. „Das nennt man Professionalität“, kontert Grings und liefert die schlüssige Begründung: „Ich sehe es als meinen Job an, mich mit dem Team auseinanderzusetzen und es zu verbessern. Videoanalysen gehören ganz einfach zu meinem Selbstverständnis als Fußballlehrerin dazu. In meiner aktiven Zeit bin ich damit groß geworden.“

Nicht selten wird nach dem Spiel die Nacht durchgemacht. Denn nun beginnt für Grings und Girnt die eigentlich Arbeit, jeder für sich: Kurze Spielszenen, die auffällig oder charakteristisch waren, werden zusammengeschnitten. Das komplette Spiel wird noch einmal in seine Einzelteile zerlegt. Einen Tag später sehen sie sich auf dem Trainingsplatz wieder, besprechen die Aufnahmen zunächst intern und später mit den Spielern. Mittwochs sind die Torhüter dran.

Grings und Girnt kennen sich aus der Zeit, als sie noch Bundesliga-Spielerin beim FC Rumeln-Kaldenhausen und später Trainerin beim MSV Duisburg war – er jeweils als Torwarttrainer tätig. Mittlerweile sind sie ein eingespieltes Team. Grings kann sich auf ihren Analysten verlassen. Er weiß, wie die Trainerin tickt und was sie sehen möchte. „Natürlich kann die gemeinsame Besprechung für den einen oder anderen Spieler unangenehm sein, aber die Videositzung ist alles andere als eine Degradierung. Sie gibt dem Spieler die Möglichkeit, Verbesserungspotenzial zu entdecken. Und sie ist eine Hilfestellung für die gesamte Mannschaft, bei Problemen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten“, so Grings. Beide bezeichnen die Videoanalyse als Stellschraube, die in einem Spiel den entscheidenden Unterschied machen kann. Doch das Beschaffen und Analysieren von Videomaterial ist nur ein Teil von Girnts Aufgaben. Darüber hinaus begibt er sich eigenständig auf die Suche nach Interviews und Filmmaterial, das für Grings Trainerarbeit wertvoll sein könnte.

Außerhalb des Sportplatzes arbeitet Girnt, übrigens ein echtes Kind des Ruhrpotts, als Koch in der gehobenen Gastronomie und zählt zum festen Team von Sternekoch Nelson Müller. Ein weiterer Grund, weshalb er seiner Leidenschaft, der Ausbildung von Torwart-Talenten, nicht so nachkommen kann, wie er es gerne machen möchte. Denn Girnt hat die Zeichen der Zeit längst erkannt: „Guck dir doch die Bundesliga an, wo kommen denn die Keeper her? In der Torwart-Ausbildung sind uns andere Länder in Europa weit voraus.“

Girnts Stationen als Torwart: 1976-1977 TuS Schloß Neuhaus (jetzt SC Paderborn), 1977-1979 VfB Speldorf, 1980-1981: Rot-Weiß Lüdenscheid, 1981-1982: FC Schwandorf, 1982-1983: SSV Jahn Regensburg, 1985-1990: Union 09 Mülheim, 1991-1992: RCD Mallorca, 1992-1994: Deportivo Cala d´Or

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