Fußball: Interview mit Marith Müller-Prießen „Die Franzosen genießen das Leben mehr“

Wachtendonk · Die Profi-Fußballerin aus Wachtendonk spricht über ihre Zeit beim französischen Erstligisten Paris FC, bei dem sie seit dem vergangenen Sommer unter Vertrag steht. Derzeit hält sie sich zu Hause fit.

 Marith Müller-Prießen, die 2010 Weltmeisterin mit der U 20 wurde, ist seit dem 13. März zu Hause in Wachtendonk und hält sich unter anderem im eigenen Garten fit.

Marith Müller-Prießen, die 2010 Weltmeisterin mit der U 20 wurde, ist seit dem 13. März zu Hause in Wachtendonk und hält sich unter anderem im eigenen Garten fit.

Foto: Heinz Spütz

Bereits mit 15 Jahren hatte Marith Müller-Prießen aus Wachtendonk ihren ersten Einsatz in der Fußball-Bundesliga der Frauen. Ab diesem Zeitpunkt spielte sie mehrere Jahre gemeinsam mit der derzeitigen Trainerin des Oberliga-Spitzenreiters SV Straelen, Inka Grings, für den damaligen FCR 2001 Duisburg. Sie durchlief bis zur U 23 alle Nationalmannschaften des DFB und wurde mit dem U-20-Team 2010 Weltmeisterin im eigenen Land. Unter Bundestrainerin Silvia Neid fand Marith Müller-Prießen keine Berücksichtigung für das A-Nationalteam. Mit dem 1. FFC Frankfurt, wo sie bis zum Ende der Saison 2018/2019 fünf Jahre unter Vertrag stand, gewann sie 2015 die Champions League. Im Juni 2019 wechselte sie im Alter von 28 Jahren nach Paris in die erste französische Liga. Im Gespräch mit der Rheinischen Post erzählt sie über das Leben und den Frauenfußball in Frankreich sowie über die Corona-Krise im Nachbarland.

Wie kam der Wechsel nach Frankreich zu Paris FC zustande?

Marith Müller-Prießen Nach fünf Jahren lief mein Vertrag in Frankfurt aus. Als Profi wollte ich noch einmal etwas Neues kennenlernen. Ich hatte da an England oder Frankreich gedacht. Mein Berater hat vermittelt – und ich wurde von Paris FC verpflichtet.

Nun sind Sie zu Hause in Wachtendonk bei ihrem Mann Markus Müller, der für den TSV Wachtendonk-Wankum erfolgreich Fußball spielt. Wann wurde in Frankreich die Saison wegen der Pandemie unterbrochen?

Müller-Prießen Das letzte Spiel fand am 22. Februar gegen Stade Reims statt. Danach hatten wir zwei Wochen spielfrei. Dann hätten wir am 14. März wieder spielen sollen, aber die Partie wurde schon wegen des Coronavirus abgesagt. Ich habe mich schnell in den Flieger gesetzt. Seit dem 13. März bin ich zu Hause.

Was haben Sie von der Corona-Krise in Frankreich mitbekommen?

Müller-Prießen Eigentlich nicht viel. Als ich noch in Frankreich war, gab es kaum Infizierte. Das fing erst später an. Von meinen Mitspielerinnen habe ich erfahren, dass, anders als in Deutschland, in Frankreich keiner über eine Lockerung der Maßnahmen oder eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes redet. In Frankreich gilt die Ausgangssperre. Präsident Macron hat diese bis zum 11. Mai verlängert. So lange bleibe ich erst mal hier.

Wie war der Start für Sie in einem neuen Land?

Müller-Prießen Nicht ganz so einfach, weil ich kein Französisch sprechen konnte. Ich wollte in einer WG wohnen, der Verein hat mir eine Wohnung im Stadtteil Orly besorgt. Ich kann zum Training laufen. Ich bin ein offener Mensch und habe mich sehr schnell eingelebt. Montags und freitags ist Sprachunterricht. Das ist eine Pflichtveranstaltung.

Mit wem wohnen Sie in der WG?

Müller-Prießen Mit zwei Spielerinnen, einer Schweiz-Brasilianerin und einer Deutsch-Französin. Bei uns wird also deutsch geredet.

Und in der Kabine?

Müller-Prießen Die Kabinensprache ist natürlich französisch. Am Anfang gab es Probleme. Mittlerweile komme ich ganz gut klar. Mit meiner Kollegin aus der Innenverteidigung habe ich mich auf dem Platz von Anfang an blind verstanden. Das war ein großer Vorteil für mich.

Vergleichen Sie die Frauen-Bundesliga mit der Division 1 Féminine.

Müller-Prießen Da gibt es in der Spielstärke eigentlich keine Unterschiede. Aber der Spielstil ist in Frankreich anders. In Deutschland wird mehr Wert auf Taktik und Zweikampfstärke gesetzt, in Frankreich sind die Spielerinnen technisch visierter und die Stürmerinnen wesentlich dynamischer und schneller. Einfach gesagt: Es wird mehr Fußball gespielt.

Gibt es noch weitere Unterschiede zwischen den beiden Ligen?

Müller-Prießen Auf jeden Fall. Innerhalb des Vereins erfährt der Frauenfußball wesentlich mehr Respekt und Wertschätzung als in Deutschland. Außerdem werden Woche für Woche unsere Spiele im Fernsehen übertragen. Dann das Training: In Deutschland mussten wir fast immer morgens und nachmittags auf den Platz. Das ist in Frankreich anders. Da wird bei uns nur einmal am Tag trainiert.

Wie halten Sie sich derzeit fit?

Müller-Prießen Wir bekommen täglich neue Trainingsprogramme zugeschickt und es gibt Konferenzschaltungen mit der Mannschaft. Ab und zu kicke ich mit meinem Mann im Garten.

Wie lebt es sich in Frankreich?

Müller-Prießen Gut. Die Franzosen genießen viel mehr das Leben und nehmen nicht alles so genau. Es ist weniger hektisch. In den Supermärkten gibt es an den Kassen kein Gedrängel und der Verkehr läuft wesentlich ruhiger ab. Franzosen sind entspannter, was anfangs allerdings eine echte Geduldsprobe für mich war.

Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?

Müller-Prießen Langeweile habe ich nicht. Ich absolviere an  der AKAD-University in Stuttgart ein Fernstudium zur Wirtschaftsfachwirtin, parallel dazu mache ich eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin und mein französisch ist ganz sicher noch ausbaufähig. Aber ich habe trotzdem schon viel von Paris gesehen.

Denken Sie auch mal an eine Familienplanung?

Müller-Prießen Ja, das mache ich, aber ich kann mir genauso gut vorstellen, noch weiter Fußball zu spielen.

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