Sportart im Trend Warum Cricket eine Heimat in Veert gefunden hat
Geldern · Beim TTC Blau-Weiß Geldern-Veert hat sich eine neue Abteilung gegründet. Die Mannschaft bestreitet auch schon Ligaspiele. Ein Problem gibt es allerdings noch.
Nach und nach finden sich einige Männer auf dem Hartplatz der Schulsportanlage „Am Bollwerk“ ein. Sie stehen in Grüppchen zusammen und sprechen angeregt und gestenreich miteinander. Einer von ihnen löst sich aus der Gruppe und legt sich eine Schutzkleidung an: Brustpanzer, Knieschützer, Handschuhe und einen Helm mit Gesichtsschutz. Er nimmt den paddelähnlichen Holzschläger in beide Hände, schlägt ihn einmal kurz auf den Boden und dreht dann den Kopf nach links zum Werfer. Der nimmt Anlauf, holt aus und schmettert den Ball meist so, dass der Ball vor dem Schlagholz einmal aufspringt und möglichst so, dass der Striker ihn nicht richtig trifft. Interessiert beobachten einige Spaziergänger aus der Distanz, wie sich die Aktiven mit unorthodoxen Bewegungen die harten Cricket-Bälle um die Ohren werfen und schlagen – und wohl nicht wenige denken dabei auch irgendwie an Baseball.
Cricket ist die zweitbeliebteste Sportart der Welt. In Deutschland hat sie in der öffentlichen Wahrnehmung bislang keine große Rolle gespielt und führt selbst unter den Nischensportarten ein Schattendasein. Das ändert sich gerade, denn Cricket ist nach Angaben des Deutschen Olympischen Sportbundes die am stärksten wachsende Sportart Deutschlands.
Die Männer auf dem Hartplatz bilden die Cricket-Abteilung des TTC Geldern-Veert und bereiten sich auf das Liga-Spiel in Mülheim vor. Die Spieler kommen aus Pakistan, Indien, Afghanistan, Sri Lanka oder Bangladesch, fühlen sich innerhalb des Vereins wie eine kleine Familie und versuchen nun, den Sport in der hiesigen Region zu etablieren. Die Teamsprache ist Deutsch.
„Alles hat vor zwei Jahren angefangen, als wir mit vier oder fünf Spielern gelegentlich hier auf dem Sportplatz gespielt haben“, sagt der 24-jährige Salman Ahmed, der in Kevelaer als Service-Techniker für Großküchen arbeitet. „Dann wurden es immer mehr. Um im Ligabetrieb mitzumischen, muss man einem Verein angehören. Die Strukturen beim TTC Geldern-Veert haben uns am besten gefallen.“
Cricket hat seinen Ursprung in England und gilt vor allem in den Ländern des Commonwealth als Nationalsport. Die Idee von Cricket ist eigentlich ganz einfach: Ein Spieler aus der einen Mannschaft schleudert den Ball, sein Gegner aus dem anderen Team versucht, ihn mit seinem Schlagholz zu treffen und möglichst irgendwohin zu befördern, wo niemand vom gegnerischen Team steht. Dann kann er losrennen zu einem Punkt, dem Wicket, bis der Ball zurückkommt. Das ist dann ein Run. Die Mannschaft, die mehr Runs erzielt als die andere, hat gewonnen. Diese vereinfachte Beschreibung des Gentlemen-Spiels, das ohne Rauferei, Getrete und Fouls auskommt, ließ Hollywood-Star Robin Williams zu der Äußerung hinreißen, Cricket sei Baseball auf Valium, ohne dabei die Feinheiten dieses Sports zu kennen.
„Wir haben ein Platzproblem“, sagt der pakistanische Abteilungsleiter, der zudem die Badminton-Abteilung beim Kevelaerer SV führt. Eine optimale Spielfläche zu finden, ist nicht einfach, denn diese ist ein etwa 140 Meter breites und 150 Meter langes Oval.
Die Trainingsmöglichkeiten auf öffentlichen Flächen sind stark eingeschränkt, da das Risiko, dass ein Unbeteiligter von dem harten, etwa 160 Gramm schweren Korkball getroffen und verletzt wird, zu hoch ist. Liga-Spiele werde aktuell auf dem Platz des Gegners abgehalten. Eine Lösung des Problems ist innerhalb des Vereins zur Chefsache geworden.