Geldern SPD diskutiert die Nöte der Hebammen
Geldern · Viele Bürger interessierten sich für eine Diskussionsrunde der SPD Geldern, die sich mit den stark erhöhten Versicherungsbeiträgen für Hebammen beschäftigt. Betroffene mahnen, das Thema endlich anzugehen.
Die Stimmung schwankt zwischen Wut und Verzweiflung. "Als ich 1988 angefangen habe, hatte ich noch eine Berufshaftpflicht von 87 Mark, jetzt sind daraus 6200 Euro im Jahr geworden. Das ist eine Multiplikation, die leider nicht bei den Gewinnen weitergeht." Die langjährige Hebamme Christine Niersmann ist erbost, und mit ihr alle ihre Kolleginnen: "Bereits 25 Prozent der Hebammen haben sich deshalb zurückgezogen, weil es sich einfach nicht mehr rentiert. Aber ich will das nicht machen müssen, ich liebe meinen Beruf."
Die momentane Situation ist das Ergebnis einer stetigen Eskalation. Die Versicherungssummen haben sich vergrößert, und nachdem sich verschiedene Versicherungen aus der Gruppenhaftpflicht der Hebammenverbände zurückgezogen haben, ist die Frage: Wie geht es weiter, wie können die nun fehlenden 20 Prozent getragen werden, und wie kann man dieser irrsinnigen Preisbelastung beikommen?
Um dies zu diskutieren, traf sich der Arbeitskreis Gesundheit der Gelderner SPD mit verschiedenen Vertretern in der Gaststätte "Zur Niersbrücke". "Mein Eindruck ist: Da wurde lange einfach geschlafen und rumgedoktert, ohne grundlegende Reformen zu bieten", erklärte Burkhard Blienert von der SPD. Das Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags weiß: "Das darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Es kann nicht sein, dass die Versicherung so exponentiell steigt. Menschliche Ressourcen werden hier verschwendet."
Denn insgesamt 80 Prozent der Hebammen seien - weil auch viele noch zusätzlich frei arbeiten - von dem aktuellen Problem betroffen, so die freiberufliche Hebamme Wilma Leenen. Die Mitarbeiterin des Geburtshauses Villa Dullstein in Geldern wies weiter darauf hin, dass durch diese freien Arbeiten die flächendeckende Versorgung vor und nach der Geburt überhaupt erst gewährleistet werde. "Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs", erklärte die Leitende Hebamme am St.-Clemens-Krankenhaus, Katja Wilmsen. Denn wenn dieser so unglaubliche wichtige Stein aus dem Gesundheitssystem genommen werde, so sähe man die negativen Auswirkungen auch schnell bei anderen Stellen. So werden durch den Wegfall der Hebammen die ohnehin schon vollen Gynäkologenpraxen noch längere Wartezeiten haben und vermehrt Leute wegschicken müssen, während sich durch die nicht mehr geregelte Nachsorge die Liegezeit im Krankenhaus deutlich erhöht. Und das sind nur zwei Beispiele einer langen Liste.
Viele zuvor nicht mit dem Thema in Kontakt gekommene Besucher der vollen Diskussionsrunde realisierten zusätzlich überrascht, dass darüber hinaus Zusatzausbildungen, wie ein zweijähriger Lehrgang zur Familienhebamme, bislang vom System nicht ausreichend anerkannt werden. Dabei ist schon die generelle soziale Verknüpfung, die eine Hebamme bietet, elementar und darf in der Gesellschaft nicht wegfallen.
Blienert betonte zum Ende des Treffens, dass so die aktuelle Problematik "wirklich nur die Spitze des Eisbergs" sei. Die Möglichkeit zur Entschärfung der Situation durch einen Fond oder den Wechsel zur Unfallversicherung wurden als diskutierbare Ideen in den Raum gestellt.
Aber egal, was passiert, Blienert weiß: "An das ganze Thema müssen wir ran. Und zwar jetzt." www.hebammenunterstuetzung.de