Geldern Schulen: Kinder mit Förderbedarf abgelehnt

Geldern · Trotz des Auftrags zur Inklusion: St.-Michael- und Marienschule in Geldern sind nicht bereit, verhaltensauffällige Kinder aufzunehmen. Die Stadt verteidigt die Entscheidung; den Lehrern fehle die Schulung.

 Ein Integrationshelfer kann die Arbeit der Lehrer unterstützen, wenn ein Kind erhöhten Förderbedarf hat.

Ein Integrationshelfer kann die Arbeit der Lehrer unterstützen, wenn ein Kind erhöhten Förderbedarf hat.

Foto: Lebenshilfe

Unmittelbar vor den Sommerferien haben die jeweiligen Schulkonferenzen von St.-Michael- und Marienschule die Einrichtung des "Gemeinsamen Unterrichts" abgelehnt. An beiden Schulen sollte ein Kind angemeldet werden, das besondere Unterstützung braucht. In Amtsdeutsch: "Bei beiden Kindern wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung festgestellt."

Was das bedeutet, erklärt Schulamtsleiter Helmut Holla: "Das sind Kinder, die zum Beispiel Wutanfälle bekommen, schreien, spucken oder einfach aufstehen und den Unterricht verlassen wollen. Es gibt auch Fälle, in denen sie zu Gewalt neigen." Dafür aber seien die Grundschullehrer ohne eine entsprechende Extra-Ausbildung als Sonderpädagogen nicht geschult.

Zwar bekommt das Kind eine entsprechende Person zur Seite gestellt, aber nur für drei Stunden wöchentlich. Das hält Holla in diesem Fall für "völlig unzureichend". Grundsätzlich, betont er, unterstütze die Verwaltung die Einrichtung des Gemeinsamen Unterrichts an allen Grundschulen. Allerdings müsse genau darauf geachtet werden, welcher Förderbedarf besteht. "Es gibt Förderbedarf zum Beispiel in den Bereichen ,Hören' oder ,Lernen'. Das sind Kinder, mit denen jeder Grundschullehrer umgehen kann und bei der Integration helfen kann." Wenn es aber um die emotionale und soziale Entwicklung gehe, sei das überhaupt nicht gleichzusetzen.

Mit den beiden Ablehnungen hat sich auch der Schul- und Sportausschuss beschäftigt, um eine generelle Diskussion zu dem Thema zu starten. Selbst innerhalb der Fraktionen gab es teils Uneinigkeit. So vertrat die sachkundige Bürgerin Melanie Croonenbrock (SPD) eine andere Meinung als die meisten ihrer Parteikollegen. Sie sprach sich vehement für den gemeinsamen Unterricht aus. Vor allen Dingen forderte sie mehr Flexibilität von den Schulen: "Die Probleme haben alle Lehrer an allen Schulen", sagte sie. Zudem warnte sie vor einer Gefahr für die Albert-Schweitzer-Schule, wo auch die an den anderen beiden Schulen abgelehnten Kinder nun unterrichtet werden. Von 18 Erstklässlern haben dort in diesem Jahr sieben Kinder Förderbedarf. "Ich sehe die Gefahr, dass das Ansehen der Schule bei den Eltern sinkt", warnte Melanie Croonenbrock. Zwar habe man an der Schweitzer-Schule bereits Erfahrung mit dem Gemeinsamen Unterricht, "aber die personelle Ausstattung ist auch dort nicht ausreichend".

Diesen Punkt sprach auch die Schulaufsichtsbeamtin Birgit Pontzen vom Kreis Kleve an. Nicht alle Kinder mit Förderbedarf sollten auf eine Regelschule geschickt werden, forderte sie, wusste aber auch von den personellen Problemen. Ihr Schluss-Satz: "Ingesamt ist das ein ganz schwieriges Kapitel". Der Schulausschuss stimmte der Entscheidung, den Gemeinsamen Unterricht vorerst nicht einzuführen, mehrheitlich zu. Die Diskussion aber hat gerade erst begonnen.

(RP)
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