Kreis Kleve Jung trifft Alt

Kreis Kleve · Schüler des Berufskollegs der Liebfrauenschule in Geldern trafen sich mit Senioren für ein Fotoprojekt im Adelheid-Haus. Das Thema war Frieden. Beim Wiedersehen erklären Alt und Jung, was ihnen das Projekt gebracht hat.

 Nina interviewte Paula Werkle.

Nina interviewte Paula Werkle.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Für den besonderen Anlass hat Paula Werkle ihre weiße Spitzenbluse aus dem Schrank geholt. Die Gruppe, die sich im kleinen Garten des Adelheid-Hauses in Geldern zusammengefunden hat, wirkt wild zusammengewürfelt. Die Damen am Tisch sind fast fünf Mal so alt wie ihr jugendliches Gegenüber. Nina, Lotta, Lena und Dana könnten die Enkel oder Urenkel von Paula Werkle, Irmgard Leichner und Helga Sennhold sein. Sind sie aber nicht. Die Sieben verbindet etwas anderes, das Fotoprojekt des Berufskollegs der Liebfrauenschule Geldern.

Das stand unter der Überschrift „Suche Frieden“, angelehnt an das Motto des Deutschen Katholikentags in Münster, erklärt Lehrer Günter Rinkens. Die Schüler hatten die Aufgabe, mehr über das Leben der Seniorinnen zu erfahren und herauszubekommen, was für sie persönlich Frieden bedeutet. „Bei uns war das ein durchweg positives Gespräch“, sagt Dana Paasen. Das fand sie gut, denn es hätte auch anders sein können. Nicht alles war leicht im langen Leben der Seniorinnen. Manche von ihnen haben beide Weltkriege miterlebt. Aber: „Der Krieg wurde nicht in den Vordergrund gerückt“, sagt Dana spürbar erleichtert. Ihre Gesprächspartnerin war die 87-Jährige Helga Sennhold. „Frieden bedeutet für mich, den Krieg gut überstanden zu haben“, sagt die Seniorin. Beim Ersten Weltkrieg war sie schon auf der Welt, noch ein Kind. Den Zweiten Weltkrieg erlebte sie bereits als Erwachsene. Als der ausbrach, war sie so alt wie die Schülerinnen, die jetzt mit ihr in der Sonne sitzen.

„Ich bringe das Thema Frieden sofort mit Krieg in Verbindung“, sagt Irmgard Leichner. Sie ist 99 Jahre alt. „Der Krieg war eine böse Zeit und hat mir alles genommen, was ich habe“, wird sie in dem Projekt zitiert. Interviewt wurde sie von Lotta Föller. „Sie hat mir erzählt, wie schwierig es für sie war“, sagt die 18-Jährige. Sie habe sich tatsächlich vorher gefragt, wie sie bei einem solchen Gespräch reagieren soll. „Aber ich bin eher so der spontane Typ“, sagt die Nieukerkerin. Und mit Irmgard Leichner erlebte sie eine Frau, die nicht nur viel vom Krieg zu erzählen wusste, sondern auch sehr humorvoll ist.

Das beweist sie beim Wiedersehen. Neben ihr sitzt Paula Werkle. Beide Frauen treffen sich immer mittwochs beim Frisör und haben sich angefreundet. „Jetzt erzähl mal, wen du einladen willst zum Hundertsten“, fragt Paula Werkle ihre 99-Jährige Sitznachbarin. Werkle hat im Juli ihren 95. Geburtstag gefeiert. Sie wurde von Nina Opschroef aus Straelen interviewt. Sie blickt dabei nicht zurück.

„Frieden verbinde ich mit Gefühlen, wie Glück, Freude, Harmonie, Freundschaft und Nachbarschaft, wenn auch Fremde wie Freunde behandelt werden können und man mit allen Spaß hat“, sagt sie stattdessen. „Frieden bedeutet für mich außerdem, wenn alle die Möglichkeit haben, einen Beruf zu erlernen und man gemeinschaftlich leben kann, zusammen.“ Sie hört aufmerksam zu, als die Abiturientinnen von ihren Zukunftsplänen erzählen. Nina erzählt, dass sie eine Ausbildung zur Ergotherapeutin machen möchte. „Das ist doch schwer, da muss man viel, viel lernen“, sagt die 95-Jährige anerkennend und berichtet ihrerseits von ihrer Enkelin, die in Amsterdam Modedesign studiert.

Und sie erzählt von ihren eigenen Reisen. Auf Kreta, Rhodos war sie schon und in Hongkong. „Heute tut es mir leid, dass ich das nicht öfter gemacht habe“, sagt sie, ohne eine Spur von Bitterkeit.

Sie verrät noch ihr Geheimnis, ihren Blick aufs Leben. „Das Böse schieb’ ich weg“, sagt sie. „Jeder hat mal ein Hoch, mal ein Tief. Das hat wohl jeder mal erlebt. Nur das Schöne will ich wissen und davon reden.“ Wer das mit 95 Jahren sagt, der gibt ein großes Stück Lebensweisheit wieder.

 Dana und Lena begleiten Helga Sennhold in den Garten und erfuhren viel über das Leben.

Dana und Lena begleiten Helga Sennhold in den Garten und erfuhren viel über das Leben.

Foto: Evers, Gottfried (eve)
 Lotta Fšller mit Irmgard Leichner

Lotta Foeller

Lotta Fšller mit Irmgard Leichner Lotta Foeller

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Am Tisch herrscht Aufbruchstimmung. Es ist Abendessenszeit im Adelheid-Haus. Die Abiturientinnen verabschieden sich. Die älteren Damen werden im Rollstuhl auf ihre Etage gebracht oder fahren langsam mit ihrem Rollator zurück zu ihren Zimmern. „Tschüss, war schön mit Ihnen“, sagt Lotta zum Abschied. Die Bilder und Texte im Gelderner Adelheid-Haus erinnern weiter an das gemeinsame, spannende Fotoprojekt, der so unterschiedlichen Frauen.

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