Kerken Oliver Steller rezitiert und singt Tucholsky-Texte

Kerken · Als "hervorragenden Künstler" kündigte Ingrid Büschkes vom Historischen Verein für Geldern und Umgegend Oliver Steller an, der mit Liedern und Texten von Kurt Tucholsky im Haus Lawaczeck auftrat. Steller-Freunde erinnerten sich, dass der bekannte Rezitator und Musiker schon mit Programmen zu Heine und Lessing zu Gast war. Einmal im Jahr sagt er "Guten Morgen", weil es in Nieukerk für ihn die einzige Matinee sei.

Das bewegte Leben Tucholskys, am 9. Januar 1890 in Berlin "voller Seifenschmiere" geboren, stellte der Ausnahmekünstler bis zur Bahre (45-jährig 1935 in Göteborg) vor. "Ich werde mir noch mächtig fehlen, wenn ich einst gestorben bin", zitiert er. In Gedichten und Artikeln ließ Steller den Schriftsteller und Journalisten auch in seinen Pseudonymen Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel selber sprechen und zeichnete ihn in deutlichen Konturen.

Unzufriedenheit sei der Motor des Mannes gewesen, der auch als Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Lyriker und Kritiker veröffentlicht hat. Steller erzählte von Tucholskys erstem Roman "Rheinsberg", der sich seit seinem Erscheinen im Jahr 1912 zu einem Klassiker für Verliebte entwickelte. In einer von ihm auf dem Kurfürstendamm eröffneten "Bücherbar" konnte man neben einer Roman-Ausgabe Alkohol gratis bekommen. Zum größten Teil trank Tucholsky diesen wohl selber, denn eine vermeintliche Sucht begleitete ihn bis zum Tod. Ein Lied widmete Steller vorsichtshalber allen, die nicht anwesend waren: "O hochverehrtes Publikum, sag mal: Bist du wirklich so dumm?" Immer wieder schuf der Künstler eine außergewöhnliche Präsenz. Eine großartige Artikulationsfähigkeit und hohes schauspielerisches Talent bescheinigten ihm die Zuschauer auch für seine Ausführungen zu "Der Mensch": "Sehr gern hören Menschen Versprechungen, Schmeicheleien, Anerkennungen und Komplimente. Bei Schmeicheleien empfiehlt es sich, immer drei Nummern gröber zu verfahren als man es gerade noch für möglich hält."

Filigranes Gitarrenspiel voller Leidenschaft und Konzentration wendete Steller auch bei dem Lied "Gestoßener Seufzer" an: "Der Reichtum ist der Lohn des Bösewichts. Ich bring's zu nichts." Auch die Vorzüge eines "dreiteiligen Spiegels" im Zusammenhang mit dem "Vollgefühl maskuliner Manneskraft" führte Steller authentisch vor. Das humorvolle Fazit lautete: "Frauen sind eitel. Männer nie." Er zeigte ebenso, wie es gehen kann, ein "Kreuzworträtsel mit Gewalt" zu lösen, und was "Das Ideal" ist. (Noch mehr) Lust auf Lyrik bekamen die Zuhörer zum Abschluss bei der Zugabe mit Klassikern von Heine und Lessing.

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