Neuer Niederrhein-Krimi Ganzer Krimi, kein halber Hahn

Niederrhein · „Der Hahn“ heißt der elfte Niederrhein-Krimi, den Thomas Hesse und Renate Wirth gemeinsam geschrieben haben. Es geht dabei um tödlichen Steuerbetrug, einen mysteriösen Unfall, Heuchelei und polizeigefährliche Liebesabenteuer.

 Das Autorenduo: Thomas Hesse und Renate Wirth.

Das Autorenduo: Thomas Hesse und Renate Wirth.

Foto: Verena Gautzsch

Man ist ja schon überrascht, wenn man den neuen Niederrhein-Krimi von Thomas Hesse und Renate Wirth aufschlägt und dort im „Prolog“ an die Südküste Indiens geführt wird. Dort nimmt der „Hahn“, so der Titel des jüngsten Gemeinschaftswerks des Autorenduos, Anlauf für einen Regionalkrimi, dessen Schauplätze uns Lesern meist sehr gut bekannt sind. Man fühlt sich bei den Dienstreisen der Weseler Kripo-Chefin Karin Krafft, die nach Kleve, Geldern, Xanten, Dinslaken, Emmerich, Rees, Moers und Duisburg führen, gewissermaßen mitgenommen. Das macht zweifellos einen Reiz dieses Kriminalromans aus.

Aber dieses Lokalkolorit ist nicht der einzige Grund, der die Lektüre des „Hahns“ zum Vergnügen macht. Die Geschichte ist durchaus überzeugend konstruiert, kriminalistisch gut recherchiert und in jenem dialogreichen Plauderton geschrieben, der die Figuren vor dem geistigen Auge der Leser lebendig werden lässt. Nach dem indischen Auftakt, dessen Bedeutung sich viele Seiten später erschließt, kommt die Kommissarin Karin Krafft mit ihrem bewährten Team Gero von Aha und Nikolaus Burmeester ins Spiel, die den Lesern von den vorigen Hesse-Wirth-Romanen gut bekannt sind, die man aber auch jetzt neu kennenlernen kann.

Die Szenerie ist ein schwerer Unfall, dessen Opfer der Möbel-Unternehmer Dieter Pahlen ist. Da können die Ärzte nichts mehr machen. Im „Hahn“ heißt es: „Der Helfer beugte sich zu seinem Gesicht herab, lupfte die Maske, durch die der zerschmetterte Körper mit Sauerstoftt versorgt wurde, hielt sein Ohr über die zittrigen, blutverkrusteten Lippen, die unter enormen Kraftaufwand ein einziges Wort bildeten, kaum vernehmbar, dennoch deutlich.“ Da ist man als Leser doch auf Pahlens letztes Wort gespannt.

Vielleicht, so mag er sinnieren, ist es ähnlich geheimnisvoll wie „Rosebud“ in dem berühmten Film von Orson Welles „Citizen Kane“. Hesse-Wirth lassen uns aber nicht lange zappeln. Zwei Seiten später verraten sie dieses letzte Wort. Es lautet: „Scheiße!“ Man kann sich vorstellen, dass die beiden Autoren beim Schreiben dieser Auflösung laut gelacht haben.

Überhaupt gefällt bei der Lektüre der bisweilen unterschwellige Humor. Man muss als Büromensch schmunzeln, wenn ein Raum „Teeküche“ genannt wird, obwohl dort nur eine Kaffeemaschine steht...

Der Krimiplot, den sich das Autorenduo realitätsnah ausgedacht hat, ist keineswegs harmlos. Es geht um Wirtschaftskriminalität in großem Stil, Steuertrickserei in rechtlichen Grauzonen inbegriffen. Schnell zeigt sich bei den Ermittlungen, dass Dieter Pahlen in Wirklichkeit gar nicht der menschenfreundliche und wohltätige Typ war, für den ihn seine naiven Nachbarn hielten. Die Rätselfrage für die Ermittler und damit die Leser ist, ob Pahlens Tod und der schwere Haushaltsunfall, den seine Ehefrau fast zeitgleich erlitten hat, irgendwie zusammenhängen. So einfach, wie man es vielleicht vermutet, ist die Auflösung nicht. Mehr sollte man hier nicht verraten. Eine ziemlich geheimnisvolle Frau, die dem armen Kommissar Burmeester einst und nun wieder erneut den Kopf verdreht, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Neben der kriminalistischen Handlung als beschleunigendes Element setzt das Autorenduo das private und bürokratische Geschehen als Anker. Gero von Ahas kopflose Verliebtheit, Karin Kraffts Familienleben und Nikolaus Burmeesters Marotten, die aus dessen Jugend noch haften geblieben sind, werden mal süffisant, mal empathisch erzählt. Wie Karin Krafft mit den Forderungen von Vorgesetzten umgeht, die unsinnig erscheinen, ist übrigens vorbildlich.

Ganz nebenbei erfährt man bei der Lektüre, dass die Niederlande nicht nur ein beliebtes Urlaubsland besonders für die Menschen dieser Region sind, sondern auch ein Steuerparadies. Weshalb der Krimi „Der Hahn“ heißt, hat Thomas Hesse in einem Interview selber erklärt: „Wir wollten gerne ein Tier, das sich symbolhaft auf einen Menschen beziehen lässt. Der Hahn plustert sich auf, ist ein Allesbesserwisserkönner vom Lande. Die Kernfigur in diesem Buch ist ein Mensch, der sich mit allen Farben schmückt und das nach außen trägt.“

Das Fazit nach der Lektüre fällt so aus: Ein ganzer Krimi, kein halber Hahn.

Thomas Hesse/ Renate Wirth: Der Hahn, (298 Seiten, emons-Verlag), 11,90 Euro.

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