Kopf-hoch-Mentalität in der Corona-Krise Issums feuerrotes Crêpesmobil

Issum · Kein Fest im Dorf ohne die rollende Gastronomie von Nicole Becker. Neben den französischen Pfannkuchen stehen Currywurst und Cocktails auf der Karte. In der Corona-Krise erfährt die Frau an der Crêpes-Platte viel Zuspruch.

 Süß oder lieber herzhaft? Nicole Becker bietet in ihrem feuerroten Crêpesmobil Allerlei Kulinarisches an. Zu Veranstaltungen werden auch Cocktails für die Feiernden gemixt.

Süß oder lieber herzhaft? Nicole Becker bietet in ihrem feuerroten Crêpesmobil Allerlei Kulinarisches an. Zu Veranstaltungen werden auch Cocktails für die Feiernden gemixt.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es duftet nach Zimtzucker, im Hintergrund ist das Geräusch von rollenden Einkaufswagen zu hören. Der Rewe-Parkplatz in Issum ist für Nicole Becker so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Weil die Ausbreitung des Coronavirus für immer mehr Absagen von Festen und Veranstaltungen führte, steht die Issumerin mit ihrem feuerroten Crêpesmobil fünf Tage die Woche („immer außer freitags und sonntags“) vor dem Supermarkt und verkauft ihre gefüllten französischen Pfannkuchen.

Ihr schlagendes Argument, warum man die probieren sollte: „Ich mache den Teig selber, es ist alles frisch.“ Und: „Jedes Crêpe, das ich zubereite, mache ich so, als wenn ich es selber essen würde.“ Ihr persönlicher Favorit ist aktuell die Speck-Zwiebel-Käse-Füllung. Sie überlegt kurz, als süße Variante ist es eine Mischung aus Eierlikör, Nutella und ein bisschen Zimt und Zucker. „Ich esse die alle gerne, viel zu gern“, sagt sie seufzend. Aber das gehöre nun einmal mit dazu: Qualitätskontrolle.

Bis die Issumer allerdings herzhaft in ihre Crêpes bissen, brauchte es etwas Überzeugungsarbeit, erinnert sich Nicole Becker. Als sie vor mehr als 20 Jahren begann, hatte der dünne Pfannkuchen noch nicht seinen Siegeszug an den Niederrhein angetreten. „Wat der Bur net kennt, dat friet er nit“, zitiert sie einen allseits beliebten Spruch, der die Einstellung manches Niederrheiners beschreibt. Aber der lässt sich auch von gutem Geschmack überzeugen. Immerhin ist Nicole Becker seit 21 Jahren mit ihrem Crêpesmobil unterwegs und von der Issumer und Sevelener Kirmes genauso wenig wegzudenken wie von den Feierabendmärkten und sämtlichen anderen Veranstaltungen.

Alles fing aber noch ein bisschen früher an. Denn als erstes waren es französische Produkte, die sie auf Märkten anbot. „Meine Eltern sind viel in Frankreich gewesen“, erklärt die gebürtige Sauerländerin. Die Nachbarn waren immer begeistert von Mitbringseln wie Seife und Lavendelprodukten. Nicole Becker gründete eine Ich-AG, fuhr zum Großhandel und kaufte französische Waren ein. Ihr erster Wochenmarkt war der in Moers. Es war September 1999, als sie französische Bratwurst, Merguez, Wein und Pastis anbot. Später kamen die Crêpes dazu. Noch etwas später Cocktails. Es begann mit dem Klassiker Batida-Kirsch, heute sind „Sex on the beach“ und „Swimmingpool“. Ab und zu kreiere sie auch neue Sorten mit ihren Kunden. So ist „Coconut Supreme“ auf der Sevelener Kirmes entstanden. Immer an ihrer Seite, wenn sie alle Hände voll zu tun hat und Cocktails mixen und Crêpes bereiten gleichzeitig machen muss: Mama Monika Becker. „Ohne sie wäre vieles nicht zu machen“, sagt Nicole Becker dankbar. Und wenn sie nach so viel Crêpesbacken mal Ruhe braucht, dann schnappt sie sich Frieda und Frau Berger, ihre Labrador-Border-Collie-Australian-Shepherd-Mischlingshunde, und geht im Finkenhorst spazieren.

In Zeiten der Corona-Krise merkt die Betreiberin des feuerroten Crêpesmobils mehr denn je, was das Dorfleben ausmacht. „Danke Issum“ steht in einem gemalten Herz an ihrer Tafel. Sie erzählt von den Nachbarn und Kunden, die vorbeikamen und ihr Mehl schenkten, als in der Zeit der Hamsterkäufe die Grundlage für ihren Crêpesteig knapp wurde. „Ich kriege heute noch Gänsehaut“ sagt sie und berichtet von dem Mann, der ihr einfach so einen Fünf-Euro-Schein in die Hand drückte. Es gab Schokolade und jede Menge aufmunternde Worte von ihren Issumern: „Halte durch. Schaffen wir schon.“

Dankbar ist sie auch für ihren Stellplatz und den großzügigen Chef des Issumer Rewe-Marktes. „Alle meine sonstigen Veranstaltungen sind weggebrochen“, sagt Nicole Becker. Aber aktuell auf dem Supermarkt-Parkplatz ist sie doch dort, wo sie am liebsten ist, bei ihren Issumern, zwischen dem Geruch von Zimtzucker und dem leisen Zischen der Crêpesplatte.

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