Was macht eigentlich? Mitten in Pont lebt eine Fußball-Legende

Geldern · Der frühere Bundesliga- und Nationalspieler Hartmut Heidemann ist seit mehr als vier Jahrzehnten im Gelderland zu Hause. Täglich kommt der Briefträger vorbei und überreicht Post von Autogrammjägern. Mitspieler kommen zu "Zebra-Partys".

 Hartmut "Hatta" Heidemann in seinem Wintergarten. Den 76-Jährigen erreichen immer noch Anfragen von Autogrammjägern. 262 Bundesligaspiele machte er für den MSV. 1964 wurde er mit Weltmeister Helmut "Boss" Rahn Vizemeister.

Hartmut "Hatta" Heidemann in seinem Wintergarten. Den 76-Jährigen erreichen immer noch Anfragen von Autogrammjägern. 262 Bundesligaspiele machte er für den MSV. 1964 wurde er mit Weltmeister Helmut "Boss" Rahn Vizemeister.

Foto: sey

Mit einem Stift in der Hand setzt sich Hartmut Heidemann mittags bei einer Tasse Kaffee gerne in seinen Wintergarten. Wer jetzt vermutet, dass der rüstige Senior ein Kreuzworträtsel löst, liegt falsch. Der gute Mann erfüllt fleißig Autogrammwünsche. Denn der ehemalige Nationalspieler, der seit mehr als vier Jahrzehnten in Pont zu Hause ist, genießt unter Fußballfreunden den Status einer Legende. Und zwar nicht nur bei den Fans des MSV Duisburg, dem er immer die Treue gehalten hat. "Ich bekomme immer noch fast täglich Post von Autogrammjägern. Irgendwie schön, dass man nicht in Vergessenheit geraten ist", erzählt der mittlerweile 76-Jährige, der zu den Männern der ersten Stunde der Bundesliga gehört.

Die Biografie von Hartmut Heidemann lässt das Herz eines jeden Fußball-Romantikers höher schlagen. Im zarten Alter von sieben Jahren schnürte "Hatta" erstmals die Fußballschuhe für den Meidericher SV. Und er beendete seine aktive Laufbahn im Dress des MSV Duisburg mit einem Abschiedsspiel im Jahr 1973 - einmal Zebra, immer Zebra. Dazwischen lagen beispielsweise 262 Bundesligaspiele für seinen Heimatverein, mit dem er 1964 an der Seite von Weltmeister Helmut "Boss" Rahn Deutscher Vizemeister wurde. Und drei Länderspiele. Am 12. Oktober 1966 debütierten in Ankara zwei Männer im Trikot mit dem Bundesadler: Hartmut Heidemann und ein gewisser Gerd Müller. Der Duisburger, der längst auch ein eingefleischter Ponter ist, bedauert im Rückblick etwas, dass er nicht noch häufiger für Deutschland aufgelaufen ist und beispielsweise an der WM 1970 in Mexiko teilgenommen hat. "Dazu hätte ich die Angebote von Schalke oder Nürnberg annehmen müssen, die ich damals hatte", sagt Heidemann, der sich in jener Zeit selbst um alle Dinge gekümmert hat -Spielerberater gab's noch nicht. Seine Frau Edda, mit der er schon in Meiderich gemeinsam die Schulbank gedrückt hat und mit der er seit 54 Jahren glücklich verheiratet ist, hat sofort die passende Antwort parat: "Hartmut, du hast alles richtig gemacht. Du bist nun einmal ein Meidericher Junge."

Hingegen bedauert der frühere Klasse-Verteidiger, der einst unzähligen Stürmern den Zahn gezogen hat, keineswegs, dass er nicht etwas später zur Welt gekommen ist. Heidemann, der das Geschehen in der Bundesliga und bei "seinem" MSV immer noch intensiv verfolgt, weiß selbstverständlich ganz genau, dass heutzutage jeder halbwegs begabte Bundesligakicker als Millionär über den Platz läuft. "Aber wir haben damals auch schon eine gute Mark verdient. Sonst hätte ich ja beispielsweise nicht nach meiner Laufbahn sofort hier das Haus in Pont bauen können", sagt Heidemann. Und der gewiefte Abwehrmann war nicht nur auf dem Platz ein Schlitzohr. Gerne erzählt er von der "Sonderprämie", die er sich am 4. Juni 1966 im Endspiel um den DFB-Pokal verdiente. Damals verlor Heidemann vor 62.000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion mit dem MSV mit 2:4 gegen Bayern München. Sein Ausgleichstreffer zum zwischenzeitlichen 2:2 mag in Vergessenheit geraten sein. Nicht jedoch sein merkwürdiges Paar Schuhe, das heute im Duisburger MSV-Museum zu bewundern ist. "Links trug ich einen Schuh der Marke Hummel, rechts einen von Adidas. Ich habe anschließend von beiden Firmen Geld bekommen", erzählt Heidemann immer noch mit dem Schalk im Nacken.

Dass "Hatta" und seine Edda zu Beginn der 70er Jahre in Pont eine neue Heimat fanden, ist dem damaligen Gelderner Getränke-Unternehmer Kurt Wenzel zu verdanken. Der erfolgreiche Geschäftsmann war nebenbei auch Vorsitzender und Mäzen des Gelderner Vorzeige-Clubs Gelria 09. Als Wenzel Kontakt zum früheren Nationalspieler aufnahm, machte er Familie Heidemann den Umzug ins Gelderland mit einem Grundstück und einem Job-Angebot schmackhaft. Der Fußballer schlug ein und war fortan auch in seiner zweiten Laufbahn äußerst erfolgreich. "Hatta", ein echter Junge des Ruhrgebiets, nutzte seine Kontakte und sorgte dafür, dass etliche Kneipen in Duisburg und Umgebung ihre Spirituosen aus Geldern bezogen. 15 Jahre lang war der Ex-Nationalspieler noch als Trainer im Einsatz, den Großteil bei Gelria 09; SV Straelen und SV Sonsbeck lauteten die weiteren Stationen.

Dann beherzigte Heidemann wieder jene Devise, die für ihn immer gegolten hat: "Ein Mann, ein Wort." "Ich hatte meiner Frau versprochen, dass mit dem Fußball endgültig Schluss ist, sobald ich 50 werde. Und das habe ich auch gehalten." Zu einigen Weggefährten aus den Gründerjahren der Bundesliga hat der 76-Jährige immer noch engen Kontakt. Wenigstens zweimal im Jahr kommen frühere Mitspieler wie Günter Preuß, Hennes Sabath, Michael Bella oder Torwart Manfred Manglitz nach Pont, um in Erinnerungen zu schwelgen und eine zünftige "Zebra-Party" zu feiern. Ansonsten genießt das Ehepaar Heidemann ausgedehnte Spaziergänge und Radtouren am Niederrhein und schätzt den großen Zusammenhalt im Dorf. "Die Nachbarschaft hier in Pont ist ein Traum. Als meine Frau im Sommer in Kamp-Lintfort am Knie operiert werden musste, hat mich jeden Tag ein anderer Nachbar zum Krankenhaus gefahren", erzählt Heidemann und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Die Urlaubsziele lauten zwar nicht mehr Griechenland, Ägypten oder Senegal. Im nächsten Frühjahr soll's wieder an die Mosel gehen. Bis dahin wird die lebende Legende noch jede Menge Autogramme schreiben.

(RP)
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