Daniela Herold Mit Herz und Hund für die Jugend da

Geldern · Daniela Herold ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und neu mit ihrer Praxis in Aldekerk. Sie erklärt, was jungen Leuten auf der Seele brennt und wie Eltern helfen können, damit es Kindern nicht nur materiell gut geht.

 Kinder haben viele Probleme, weiß Daniela Herold.

Kinder haben viele Probleme, weiß Daniela Herold.

Foto: Gottfried Evers

An Ihrem Schreibtisch haben Sie eine pinke Postkarte stehen, auf der steht: "Shoppen ist besser als Psychotherapie." Stimmt das, und sind Sie dann nicht bald arbeitslos?

Daniela Herold (lacht) Ja, manchmal ist das so mit dem Shoppen. Denn es hat auch etwas damit zu tun, dass man sich selber nicht vergessen sollte. Auch alltägliche Dinge können schön sein und Freude bereiten. Das merkt man leider erst oft, wenn dies nicht mehr möglich ist.

Im Ernst, mit welchen Problemen kommen Kinder und Jugendliche zu Ihnen?

Herold Was momentan zunimmt, sind psychosomatische Beschwerden. Kinder kommen zum Beispiel mit Bauch- oder Kopfschmerzen zu mir in die Praxis. Organische Ursachen sind natürlich im Vorfeld auszuschließen, bevor sie zu mir in Behandlung kommen. Wir arbeiten eng mit den Kinderärzten zusammen.

Bauch- und Kopfschmerzen, das hört sich nach Stress an?

Herold Das kann stressbedingt sein, es können aber auch andere Belastungen sein.

Was sind das für Belastungen, die Kinder mit sich rumtragen?

Herold Kinder sind durch ihre Entwicklung und Heranwachsen vielfältigen Aufgaben ausgesetzt. Das sind zum Beispiel bei Jugendlichen die gravierenden Veränderungen während der Pubertät, plötzlich werden die Arme und Beine länger, alles will nicht mehr so recht zusammenpassen, und der Hormonhaushalt stellt sich auch noch um. Wenn dann noch andere Schwierigkeiten hinzukommen, zum Beispiel Probleme in der Schule oder Veränderungen zu Hause, kann es zu unterschiedlichen psychischen Symptomen kommen. In die Praxis kommen auch Kinder und Jugendliche, die sich plötzlich mit einer chronischen Erkrankung, wie zum Beispiel einer entzündlichen Darmerkrankung oder Diabetes, auseinandersetzen müssen. Die Erkenntnis, dass so eine Krankheit einen ein Leben lang begleiten wird, ist für viele Kinder und Jugendliche nicht leicht zu verarbeiten.

Aber ist es nicht die Aufgabe der Eltern, in den Situationen für ihr Kind da zu sein und es zu unterstützen?

Herold Es ist ein natürlicher Prozess, dass Jugendliche über gewisse Probleme nicht mit den Eltern sprechen wollen. Eltern wollen und können unterstützen, finden dann aber vielleicht nicht immer den Zugang, weil die Jugendlichen autonom sein möchten und einen anderen Gesprächspartner bevorzugen. Das ist prinzipiell gesund und gehört zum Abnabelungsprozess dazu.

Wann ist ein Verhalten nicht mehr gesund? Wann kommt man zu Ihnen?

Herold Das ist eine gute Frage. Wir arbeiten eng mit den Kinderärzten, Kindergärten, Schulen, Jugendhilfe und anderen Helfersystemen zusammen und bekommen Kinder und Jugendliche zugewiesen. Ich sehe jedoch auch einen Beratungsauftrag, das heißt, es gibt Familien, die sich bei uns direkt melden, wenn sie meinen, dass etwas nicht stimmt. Im Rahmen eines ersten Kontaktes beraten wir Familien, ob bereits ein kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlungsbedarf vorliegt oder ob andere Unterstützungsmaßnahmen angezeigt sind.

Ein großes Thema war in der Vergangenheit ADS und ADHS. Ist das immer noch so präsent?

Herold Im Moment empfinde ich das als relativ stabil. Aktuell sind die psychosomatischen Beschwerden auf dem Vormarsch. Eine Zeitlang waren es Essstörungen, die stark vertreten waren. Wodurch diese Häufigkeiten bedingt sind, kann ich gar nicht immer sagen. Was mir ganz wichtig ist, wenn ein Verdacht auf eine psychische Erkrankung im Raum steht, dann ist eine ausführliche kinder- und jugendpsychiatrische Anamnese und Diagnostik das Allererste, was erfolgen sollte.

Was können Eltern tun, damit es ihren Kindern gut geht?

Herold Eltern sollten ihre Kinder auf jeden Fall, auch in Krisen, ein stabiles Gegenüber sein. Wichtig ist es außerdem, Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Das bedeutet zum einen, Kinder zu ermutigen, auch Dinge selber auszuprobieren und das auch positiv zu verstärken, zum Beispiel durch Loben. Kinder und Jugendliche sollten auch mal unter sich sein dürfen, in ihrer eigenen Welt, ohne Erwachsene. Das ist natürlich nach Kind und Altersstufe unterschiedlich. Als Eltern muss man die gesunde Waage finden zwischen Unterstützen und Loslassen.

Sie haben auch Hunde in der Praxis. Wann kommen die denn zum Einsatz?

Herold Paul und Mina sind ausgebildete Therapiehunde und Teil unseres Praxiskonzepts. Therapeutisch unterstützen mich Jana Michels (Sozialpädagogin) und Sabine Geilenberg (systemische Familien- und Sozialtherapeutin). Gerade für jüngere, aber auch unsichere und eher verschlossene Kinder, sind die Hunde eine große Hilfe. Sie werden von den Kindern sehr positiv aufgenommen.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, in Aldekerk eine Praxis zu eröffnen?

Herold Ich wohne schon länger am Niederrhein und war in der Vergangenheit leitende Oberärztin in Essen-Werden und habe zuletzt die Außenstellen der LVR-Klinik Bedburg-Hau in Geldern und Moers geleitet. Da ich am Niederrhein wohne, wollte ich gerne auch dort arbeiten. Eine eigene Praxis hat sich angeboten, zumal im Kreis Kleve kein Fachärzteüberhang ist. Außerdem haben wir an unserem Standort eine gute Verkehrsanbindung, die Autobahn ist nicht weit weg, und wir sind auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Der Bahnhof ist ganz nah.

Beim Psychologen oder beim Psychotherapeuten einen zeitnahen Termin zu bekommen, das ist nicht immer so einfach. Wie ist das bei Ihnen?

Herold Da die Praxis neu gegründet wurde, haben wir im Moment noch keine längeren Wartezeiten, ob das aber in Zukunft so bleibt, kann ich nicht garantieren.

DIE INTERVIEWFRAGEN STELLTE BIANCA MOKWA.

(RP)
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