Geldern Mary van der Moolen: Mit 100 "Ja" sagen zum Leben

Geldern · Manchmal hat Mary van der Moolen einen Heidenrabatz in ihrem Wohnzimmer. Schrille Pfiffe und lautes Krächzen bohren sich in die Gehörgänge. Die Verursacher sitzen auf Stangen in einem geräumigen Käfig. Es sind die Graupapageien Lora und Jacko. Letzterer wohnt seit 30 Jahren bei der Geldernerin, die von sich behauptet: "Ich bin ein lebensbejahender Mensch." Vielleicht das beste Rezept, um 100 Jahre alt zu werden, wie es Mary van der Moolen jetzt gelungen ist.

 Seit 30 Jahren begleitet Grauhaarpapagei Jacko seine Besitzerin Mary van der Moolen. Die Geldernerin wurde vor 100 Jahren in Leipzig geboren.

Seit 30 Jahren begleitet Grauhaarpapagei Jacko seine Besitzerin Mary van der Moolen. Die Geldernerin wurde vor 100 Jahren in Leipzig geboren.

Foto: siwe

Von ihrem früheren Leben ist der gebürtigen Leipzigerin nicht mehr viel geblieben. Ihr Elternhaus in der sächsischen Metropole — abgebrannt. Ebenso die Schallplattenfabrik, die ihr Vater in Prag betrieb. Er verlegte "schwere" Klassik, zum Beispiel Hindemith. Er konnte es sich leisten, weil er durch ein Patent seines Vaters für Holzveredlung finanziell unabhängig war. Ihr Mann, den sie 1933 heiratete, fiel als Offizier im Krieg. Ihre drei Töchter musste Mary van der Moolen alleine großziehen. "Unter harten Bedingungen", wie sie erzählt.

Sie lernte Russisch, arbeitete als Serviererin in einer russischen Kantine, schälte Kartoffeln und Gemüse. "Und abends brachte ich Essen nach Hause." In Plauen war sie in weiteren russischen Betrieben beschäftigt, bevor sie sich bei der Uranförderfirma Wismut als Dolmetscherin bewarb. Angestellt wurde sie dort als Schichtschreiberin, "weil die Stelle gerade frei war". Nach einem Kurierposten schaffte sie es in die Wismut-Verwaltung.

Den Job wurde sie los, als sie für einen Buchhalter Medikamente aus dem Westen besorgte. Er verriet es. Nachforschungen ergaben, dass die Frau "drüben" eine Schwester hatte. "Verwandtschaft im Ausland war verboten", nennt Mary van der Moolen den Grund für ihre Entlassung. Im Kampf dagegen hoffte sie auf Unterstützung durch die Gewerkschaft — vergeblich. "Man machte mir klar, dass mir nichts anderes übrig blieb, als dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken zu kehren." Mit dem Zug fuhr sie 1958 nach Berlin, wurde dort von Briten, Franzosen und Amerikanern über ihre Tätigkeit bei Wismut verhört. "Doch über meine Arbeit habe ich nichts erzählt."

Als Haushaltshilfe in Wiesbaden hielt sie danach ihre Familie über Wasser, bevor sie in einem Versorgungsbetrieb der US-Armee angestellt wurde. Schließlich wurde sie Sekretärin an der Universität Wiesbaden im Institut für die Geschichte der Medizin. Ihre mittlerweile erworbenen Kenntnisse in Russisch, Englisch, Französisch und Spanisch kamen ihr beim Auswerten der Fachzeitschriften zu Gute.

Die Sehnsucht nach einer Familie ließ sie 1964 eine Anzeige aufgeben. Karl van der Moolen aus Geldern meldete sich. Noch im selben Jahr wurde geheiratet. Die Ehe hielt bis zu seinem Tod 1983.

"Ich habe mein ganzes Leben lang Sport getrieben", sagt die sechsfache Großmutter und sechsfache Urgroßmutter. Dem Tennisclub Grün-Weiß Geldern gehört sie seit 50 Jahren an. Im Vorstand des VdK ist sie für die Mitgliederbetreuung zuständig. Und im Haus repariert sie noch manches selbst. "Mein Werkzeugkeller ist gut sortiert."

(RP)
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