Straßenmalwettbewerb in Geldern Ein Bild zum Geburtstag

Geldern · Seit 30 Jahren kommt die Künstlerin Irmgard Maria Jansen-Otto aus der Nähe von Bonn zum Straßenmalwettbewerb nach Geldern. Auch in diesem Jahr – obwohl die Veranstaltung coronabedingt abgesagt worden war.

 Obwohl der Straßenmalwettbewerb in Geldern dieses Jahr erneut coronabedingt abgeblasen wurde, ist Irmgard Maria Jansen-Otto angereist, um in der Innenstadt ein Bild zu malen. Es zeigt eine Frau mit Maske.

Obwohl der Straßenmalwettbewerb in Geldern dieses Jahr erneut coronabedingt abgeblasen wurde, ist Irmgard Maria Jansen-Otto angereist, um in der Innenstadt ein Bild zu malen. Es zeigt eine Frau mit Maske.

Foto: Jansen-Otto

Wenn das Jahr noch jung ist, schnappt sich Irmgard Maria Jansen-Otto ihren Kalender und streicht schon mal das letzte Wochenende der Sommerferien rot an. An diesen Tagen findet in Geldern nämlich traditionell der Straßenmalwettbewerb statt. Seit 1991 kommt die in Alfter-Oedekoven (bei Bonn) lebende Künstlerin an den Niederrhein, um zu malen. Dieses Jahr hatte sie gleich doppelten Grund zur Freude: Zum einen wollte sie am Samstag, 14. August, ihren 66. Geburtstag feiern. Zum anderen liegt ihr erster Besuch in der LandLebenStadt genau 30 Jahre zurück. 30 Jahre, in denen sie den Niederrhein in ihr Herz geschlossen hat. Es sollte ein perfekter Tag werden. Doch wegen Corona musste die Veranstaltung abgesagt werden. Schon wieder.

Im vergangenen Jahr war sie deswegen notgedrungen zu Hause geblieben. Diesmal aber ließ sie sich nicht aufhalten. Um ihren Geburtstag im Kreise der Familie und mit Freunden feiern zu können, hatte sie die Zimmer bereits lange im voraus im „Rheinischen Hof“ reserviert. Normalerweise zeltet Irmgard Maria Jansen-Otto am liebsten am Holländer See, dort, wo auch die anderen Künstler untergebracht sind; dort, wo Klaus, der Geiger, mittlerweile ein guter Freund von ihr, seine Musikworkshops mit der Gelderner Streicherbande abhält; wo die Pfadfindergruppe „Cosa Nostra“ die Butterbrote für die Besucher aus aller Welt schmiert; und wo sie manchmal am Sonntagabend von Georg Wenzel vom KUHnst Turm Niederrhein eingeladen wurde, um sich von den Strapazen der stundenlangen Bückerei zu erholen. Abgesagt. Darum war es Zeit für Plan B: „Da Geldern immer eine Reise wert ist und die Zimmer gebucht waren, fuhr ich mit meinem ,Tross’ trotzdem hin“, berichtet die Künstlerin.

 Irmgard Maria Jansen-Otto kommt seit 1991 zum Straßenmalwettbewerb nach Geldern

Irmgard Maria Jansen-Otto kommt seit 1991 zum Straßenmalwettbewerb nach Geldern

Foto: Jansen-Otto

Mit 16 hatte sie einen Platz an der Fachoberschule für Gestaltung ergattert, doch weil ihre Mutter andere Pläne für sie hatte, studierte sie Sozialpädagogik in Aachen, wo sie ihren Mann kennenlernte. Der ist gelernter Gärtner, hatte einen Betrieb an der deutsch-belgischen Grenze und ein Blumengeschäft in der Stadt. Gegenüber lag die Poststelle, zu der sie manchmal lief, um dort Geld zu wechseln. Einmal fiel ihr ein Heft in die Hand, in dem sie einen Artikel über den Straßenmalwettbewerb las. „Meine Tochter, sie war zu der Zeit 13, malte sehr gerne. Und weil wir uns als Selbstständige keinen Urlaub leisten konnten, bin ich mit ihr nach Geldern gefahren“, erzählt Irmgard Maria Jansen-Otto.

 Auch bei ihrem ersten Besuch in Geldern vor 30 Jahren trug die Künstlerin einen Hut.

Auch bei ihrem ersten Besuch in Geldern vor 30 Jahren trug die Künstlerin einen Hut.

Foto: Jansen-Otto

Seitdem war sie fast jedes Jahr da und das nicht nur mit ihrer Tochter, sondern auch mit ihrem Sohn, mit ihrem Enkel, ihren Nichten und ihren Freundinnen. „Meine Nichte Sarah war so begeistert von Klaus, dem Geiger, dass sie ihn zu Hause porträtiert hat“, erzählt Irmgard Maria Jansen-Otto. Mittlerweile sei aus der Nichte ebenfalls eine sehr gute Musikerin geworden, die als Sarah Naiva durch Deutschland tourt. Und auch sie selbst habe sich vollends der Kunst verschrieben.

Was ihr mit 16 verwehrt blieb, habe sie sich mit 61 Jahren zurückgeholt: Irmgard Maria Jansen-Otto schreibt Gedichte, spielt Gitarre, Ukulele und Akkordeon – und sie malt in ihrem Wintergarten mit Blick auf die Stadt Bonn mit Acryl, aber sie zeichnet auch: Akt und Porträts. Seit drei Jahren tritt sie mit ihrem polnischen Nachbarn auf. Als Künstler-Duo „Irmgard und Wojtek“ verbinden die beiden Musik, Lyrik und Malerei. „Ich wollte ihn auch schon nach Geldern zum Straßenmalwettbewerb mitschleppen“, erzählt Irmgard Maria Jansen-Otto, „doch es hat sich noch nicht ergeben.“

In diesem Jahr war sie die einzige, die trotz der Absage angereist ist. „Ich hab‘ schnell ein Bild mit wenig Anspruch und viel Aussage gemalt“, erzählt die Künstlerin. Ihr Kunstwerk, das vor dem Euroshop am Markt entstanden ist, zeigt das Gesicht einer Frau, die Maske trägt. Darunter steht: „Masken - Soziale Distanz - Steigende Zahlen. Wie Seifen platzt mein Traum vom Straßenmalen.“ Ihre Geburtstagsgäste, hätten fleißig Seifenblasen über das Bild gepustet. „Auch wenn ich die anderen Straßenmaler vermisst habe, habe ich keinen Grund zu klagen“, sagt die Künstlerin. Denn sie habe mehr Geldern bekommen als erwartet – bunt und mit Musik. In der Hülser-Kloster-Gasse feierte das Street-Art-Festival „Paint on Walls“, organisiert von Mattez Deckers, Premiere. Graffiti-Kunst und Rap-Musik. „Auf Klaus, den Geiger, musste ich auch nicht verzichten. Er trat am Freitagabend mit dem Gitarristen Marius bei einem Freiluftkonzert am Wasserturm auf. Glücklich und mit viel Geldern im Herzen fuhr ich nach Hause.“

Auch dieser Besuch wurde in ihrem Straßenmal-Buch dokumentiert. Ein neues Kapitel in der 30-jährigen Geschichte. „Trotzdem wünsche ich mir für 2022, dass alles wieder wie gewohnt abläuft und es so schön wird, wie es 1991 war. Gute Dinge müssen einfach bleiben.“

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