Warum es beim sozialen Wohnungsbau hakt 3000 Wohnungen fehlen im Kreis Kleve

Gelderland · Viele Kreise rufen laut einem WDR-Bericht öffentliche Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht ab. Was sind die Gründe dafür?

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Es waren Zahlen, die auf den ersten Blick überraschten: Die Landesregierung hatte 2018 so viel Geld für die Förderung von Wohnraum ausgegeben wie seit 2012 nicht mehr. Nach einer Recherche des WDR, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, haben 20 der 54 Kreise und kreisfreien Städte in NRW 2019 weniger als die Hälfte der bereitgestellten Landesmittel genutzt. Zehn Städte hätten sogar überhaupt keine Fördermittel für neue Sozialwohnungen abgerufen, berichtet der WDR.

Doch es gebe auch Kreise, die 2019 deutlich mehr verbaut haben als vorgesehen. So etwa der Kreis Kleve, wo Mittel in Höhe von 10,3 Millionen Euro zur Verfügung standen, aber für 36,246 Millionen Euro gebaut worden sei. Die Bauverwaltungs-GmbH des Kreises (KKB) hat 2018 dafür extra ihren Geschäftsbereich um eine eigene Sparte erweitert, um neue Wohnungen zu schaffen.

Eine Wohnungsmarktstudie für den Kreis Kleve von März 2019 hatte einen Bedarf von mehr als 3000 öffentlich geförderten Wohnungen bis 2030 ausgewiesen. „Wegen des demographischen Wandels werden auch insbesondere kleinere preisgünstige Wohnungen für Senioren benötigt, und bereits heute stehen nicht ausreichend öffentlich geförderte Wohnungen zur Verfügung“, so KKB-Geschäftsführerin Bettina Keysers. Viele Menschen wüssten offenbar gar nicht, dass sie Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben. Tatsächlich könnten 50 Prozent der Bürger im Kreis einen bekommen, sogar 80 Prozent der Senioren. Es seien „ganz normale Handwerker und einfache Angestellte“, die geförderte Wohnungen anmieten dürften. Wenn es sie denn in ausreichender Anzahl gäbe.

Es hat sich aber schon einiges getan: In Goch enstehen gerade unter Federführung der KKB 28 neue Wohneinheiten. In Issum an der Mittelstraße will die KKB bauen: ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen. Die nötigen Unterlagen für die Baugenehmgigung sollen in Kürze eingereicht werden. In konkreten Verhandlungen steht die KKB auch bei einem Objekt in Kerken. Hier will die Gesellschaft ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen aufkaufen. Um neue Wohnungen zu schaffen, würde man neue Objekte bauen, ältere Gebäude sanieren oder versuchen, Bestandsgebäude aufzukaufen.

Laut WDR begründeten viele Kreise ihre Zurückhaltung mit Personalmangel in den Behörden und hohen bürokratische Hürden beim Abrufen der Fördergelder. Für Investoren seien die Förderkonditionen des Landes nicht attraktiv genug. Argumente, die Paul Düllings, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Geldern (GWS), bestätigt. „Das ganze Thema ist mit Bürokratie überfrachtet“, sagte er. Das Problem aus seiner Sicht: Man wolle alles gleichzeitig – optimal gedämmte Häuser, einen niedrigen Energieverbrauch und den höchsten technischen Standard. „Und das alles zum besten Preis“, sagt Düllings. „Das funktioniert nicht.“ Dass öffentliche Mittel nicht abgerufen würden, „zeigt, dass die Rahmenbedingungen nicht attraktiv sind.“

Ein anderes Problem sei für ihn, dass der Anteil der Baunebenkosten an den Gesamtkosten enorm gestiegen sei, „weil heute immer mehr Fachingenieure für die Verwirklichung des Vorhabens gebraucht werden, wie Brandschützer, Schallschützer oder Energieberater. Früher betrug der Anteil der Baunebenkosten etwa neun bis elf Prozent der Gesamtkosten“, sagt Düllings. „Heute sind es 20 Prozent.“

Die gestiegenen Baunebenkosten führten dazu, dass es zunehmend schwieriger werde, einen niedrigen Mietpreis zu halten. 2018 lag die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den GWS-Wohneinheiten bei knapp über fünf Euro pro Quadratmeter, sagt Düllings. Man versuche, die Mieten so moderat zu halten, „dass es auch für die passt, die zum Beispiel auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Laut Geschäftsbericht 2018 verfügte die GWS Ende 2018 über 230 Häuser mit fast 1110 Wohnungen. Die GWS baut laut Düllings aufgrund der hohen bürokratischen Hürden und eines dafür erforderlichen erhöhten Personaleinsatzes schon seit Jahren nicht mehr mithilfe öffentlicher Mittel. „Ich sage immer, wir bieten preisgedämpften Wohnraum an, nicht öffentlich geförderten.“ Was ihn ärgert, sei, „dass immer so getan werde, als ob in Geldern und Umgebung keine günstigen Wohnungen zur Verfügung stehen und niemand diese anbietet“, sagt er. „Das stimmt so nicht.“

Das Thema „sozialer Wohnraum“ hat längst auch den Gelderner Bürgermeisterwahlkampf erreicht. SPD- und Grünen-Bürgermeisterkandidatin Ulrike Michel hatte vorige Woche bei ihrer Aufstellungsversammlung kritisiert, „dass wir lange keine Wohnungen mehr gebaut haben, die im unteren Preissegment liegen“. Ein Problem sei außerdem, dass in zehn Jahren ein Großteil der preisgebundenen Wohnungen wegfalle, da die Preisbindung auslaufe.

Laut Düllings müsste man in diesem Punkt aber genauer hinsehen, zumindest bei der GWS. „Denn selbst wenn Wohnungen aus der Preisbindung herausfallen, vermieten wir immer noch für 5,10 oder 5,20 Euro pro Quadratmeter“, sagt er. Insgesamt sieht er die Lage zwar als durchaus schwierig an, weil die Nachfrage immer noch höher als das Angebot sei. „Aber ich glaube, dass schon viel für eine Verbesserung der Situation eingeleitet wurde.“ Ein Beispiel sei unter anderem das GWS-Projekt am Kanalweg in Geldern, wo aktuell neun Wohneinheiten entstehen.

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