Interview mit Dirk Möcking aus Kerken „Die große Solidarität macht mir Mut“

Kerken · Der Bürgermeister von Kerken äußert sich zu den ersten Erfahrungen im Umgang mit der Corona-Krise.

 Dirk Möcking, Bürgermeister der Gemeinde Kerken.

Dirk Möcking, Bürgermeister der Gemeinde Kerken.

Foto: Dirk Möcking/Gehard Seybert Medien&Presse Ser

Wie erleben Sie die Gemeinde Kerken in diesen Tagen?

Dirk Möcking Nun, es ist fast so wie in den Sommerferien. Keine Schulglocken, die die Kinder zum Unterricht rufen oder Pausen einläute. Nur sind die Straßen und Wege noch deutlich leerer als in den Ferien; das ist fast schon ein wenig unheimlich. Ansonsten erlebe ich bei den Bürgerinnen und Bürgern eine große Disziplin und viel Rücksichtnahme. Egal ob Einkaufen oder Spazierengehen: Die Menschen gehen höflich miteinander um, kein Gedrängel, keine Hetze und alles mit gebührendem Abstand. Viele haben nachgefragt, ob sie irgendwo helfen können, etwa Einkäufe erledigen. Hier sind wir gut vernetzt mit der Katholischen und Evangelischen Kirchengemeinde, die für diese und ähnliche Dienste ehrenamtliche Teams eingerichtet haben. Also, kurz gesagt: Ich erlebe auch eine große Solidarität, und das stimmt mich positiv, macht mir Mut.

Wie haben Sie die Verwaltung organisiert?

Möcking Anfang März habe ich unseren Krisenstab aktiviert, der sich zu Beginn der Krise mehrmals wöchentlich getroffen hat. Informationsbeschaffung, -auswertung und -weitergabe wurde auf verschiedene Personen verteilt, die Ergebnisse gemeinsam besprochen und auf dieser Basis Entscheidungen getroffen. Wichtig war uns eine möglichst umfassende, aber auch gesicherte Informationsweitergabe aller bedeutsamen Fakten über unsere Homepage. Das Rathaus wurde Mitte März für den Publikumsverkehr geschlossen mit Ausnahme von unaufschiebbaren wichtigen Themen. Wir haben im wöchentlichen Wechsel Home-Office eingeführt mit der Möglichkeit, über gesicherte VPN-Leitungen auf die Verwaltungsdaten zugreifen und damit arbeiten zu können. Läuft sehr gut!

Wie halte ich den Kontakt zur Politik?

Möcking Das wichtigste Medium der Informationsweitergabe sowie der Absprache von dringenden Entscheidungen ist eindeutig die E-Mail. So gab es bisher einige Dringlichkeitsentscheidungen, die auf diesem Weg im Vorfeld mit den Fraktionen kommuniziert wurden. Natürlich gab es hier und da auch telefonische Rückfragen, aber auch das lief bisher einwandfrei. Eine große Hilfe in der Corona-Krise war und ist es auch, dass die meisten Fraktionen sich sehr zurückhalten mit ihren politischen Anträgen.

Was halten Sie von Videobotschaften und mit welchen Mitteln kommunizieren Sie mit den Bürgern?

Möcking Videobotschaften halte ich grundsätzlich für ein gute Möglichkeit der Kommunikation. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass dieses Mittel moderat eingesetzt mehr Wirkung erzielt als etwa eine tägliche Präsenz. Ich selber habe eine Videobotschaft für die Osterzeit geplant und mich am 23. März auf meiner privaten Homepage und der der Gemeinde Kerken sowie über Facebook mit einem Anschreiben an die Bürger gewandt.

Wie kann die Gemeinde der Wirtschaft, dem Handel und der Gastronomie helfen?

Möcking Auf der Homepage hatten wir zeitnah auf alle Hilfsprogramme von Bund und Land hingewiesen und die Links oder weitergehende Informationen hierzu eingestellt. Parallel dazu haben wir die Hinweise darauf an die uns bekannten Adressen aus Wirtschaft und Handel in Kerken weitergegeben. Hierzu waren wir mehrfach im telefonischen Kontakt mit den Verantwortlichen der Werbegemeinschaften, einzelnen Gastronomen und Händlern vor Ort. Darüber hinaus besteht ebenfalls die Möglichkeit, Steuervorauszahlungen anzupassen, wenn sich Umsatzeinbrüche abzeichnen.

Von einigen Bürgermeistern im Kreis Kleve gab es massive Kritik an der Informationspolitik des Landrates. Schließen Sie sich an?

Möcking Nun, an der ein oder anderen Stelle hätte auch ich mir mehr Informationen gewünscht vom Kreis Kleve, vielleicht auch etwas mehr Leadership. Aber: Ich habe ja selbst erlebt, wie anspruchsvoll die ersten Wochen gewesen sind, zeitlich, emotional und körperlich. Gespürt, welch große Verantwortung diese Krise auch mir als Bürgermeister aufbürdet, denn es geht ja am Ende um nichts weniger, als um Menschenleben. Ich kann mir also sehr gut vorstellen, wie schwer es meine Kolleginnen und Kollegen und auch der Landrat in den vergangenen Wochen gehabt haben. Alles in allem finde ich aber, dass die 16 Kommunen im Kreis wirklich top zusammengearbeitet haben in dieser Krise und auch immer noch sehr gut kooperieren. Und bei den meisten (Video-)Konferenzen war ja auch der Landrat mit dabei. Ein besonders Lob möchte ich in diesem Zusammenhang meinem Kollegen Christoph Gerwers auch Rees machen, der als Vorsitzender der Bürgermeister-Konferenz einen Top-Job gemacht hat.

Was lernen wir aus der Corona-Krise?

Möcking Gute Frage, die unbedingt jeder für sich beantworten sollte. Für mich erschließen sich folgende Erkenntnisse:

1. Das Leben ohne oder mit nur sehr eingeschränkten persönlichen Kontakten ist deutlich weniger lebenswert. Facetime- oder Skype-Meetings mit Kindern, Enkeln und Freunden sind zwar jetzt gut, aber kein dauerhafter Ersatz für den privaten Austausch.

2. Die Entdeckung der Langsamkeit. Zwangsläufig fährt unser aller Leben wegen der Krise deutlich runter, entspannt sich; es wird ruhiger. Nicht die schlechteste Erfahrung.

3. Mehr Solidarität zeigen mit denen, die Hilfe brauchen. In der Nachbarschaft, im Ort, in der Gemeinde und darüber hinaus.

4. Viele Dinge, besonders im beruflichen Bereich, lassen sich auf einmal auch telefonisch, im Video-Chat oder per E-Mail regeln. Vielleicht ist das auch in Zukunft machbar?

5. Video-Konferenzen funktionieren gut. Vielleicht dank unserer Glasfaser-Infrastruktur (schmunzelt). Zukünftige Konferenzen könnten, nicht nur, aber auch und immer wieder mal, auf diese Art abgehalten werden. Die Umwelt würde es uns danken.

6. Ich persönlich nehme aus dieser Krise auch zwei Dinge mit: Demut und Dankbarkeit. Für mein Leben, meine Familie, meine Freunde, meinen Beruf. Dafür, dass ich in diesem Land leben darf.

Vielen Dank. Bleiben Sie gesund!.

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