Die Neuordnung fiel in Ihre Kindheit. Haben Sie noch persönliche Erinnerungen an diese Zeit?
Interview Dirk Möcking und Clemens Brüx Kerken und Issum werden 50
Issum/Kerken · Es war ein schmerzhafter Abschied von den kleinen Ämtern: 1969 gab es die kommunale Neuordnung.
Dirk Möcking Mein Vater Siegfried ist damals gerade stellvertretender Gemeindedirektor geworden. Da war das natürlich zu Hause ein Thema, ich habe schon einiges mitbekommen. Ich weiß noch, wie es aus Eyll hieß: „Vannt Eell keen Schöp Sand“. (Anm. d. Red: „Von Eyll kriegt man nicht mal eine Schüppe Sand.“) Es war Stimmung in der Bude. Ich habe auch die Diskussion um den Namen für die Gemeinde mitbekommen.
Da sollten wir gleich noch mal drüber sprechen. Herr Brüx, wie war es bei ihnen?
Clemens Brüx Ich war noch keine sieben Jahre alt. Ich habe zwar über meine Eltern etwas von dem Thema mitbekommen, wirklich berührt hat es mich aber nicht.
Issum und Sevelen, Nieukerk und Aldekerk - wie viel Rivalität spüren Sie noch heute?
Brüx Vor allem beim Derby im Fußball ist schon Stimmung drin. Oder im Karneval. Aber eine gewissen Rivalität und Spott mit Augenzwinkern sind ja auch das Salz in der Suppe.
Möcking Klar, beim Sport merkt man das schon. Derbystimmung ist schon etwas Besonderes. Aber wir haben ja leider gerade auch auf kirchliche Ebene erlebt, wie alte Gräben wieder aufgemacht wurden.
Aus meiner Sicht ist es ja ein Königsweg gewesen, mit Kerken einen neuen Namen zu schaffen. Im Fall von Issum könnte man meinen, das Sevelen der gefühlte Verlierer ist. Wie war das mit dem neuen Namen, Herr Möcking?
Möcking Es war natürlich wie überall. Die Aldekerker wollten den Namen Aldekerk, die Nieukerker waren für Nieukerk. Es geht das Gerücht, dass Diakon Aloys Schmitz den Namen Kerken ins Spiel gebracht hat. Der war in Nieukerk CDU-Fraktionsvorsitzender, aber auch eine sehr anerkannte Persönlichkeit. Das ist dann wohl aufgegriffen worden.
Brüx Bei uns war es natürlich auch so. Aus Sevelen schlug man Sevelen vor, die Issumer waren für Issum. Soweit ich weiß, ist im Landtag entscheiden worden, dass die Gemeinde Issum heißt. Obwohl Sevelen damals sogar etwas größer war.
Wie stark ist das Kirchturmdenken heute noch?
Möcking Man merkt schon, dass genau hingeschaut wird: Wer bekommt was? Was kommt wohin? Wir versuchen, das – etwa bei der Ausweisung von neuen Wohngebieten – soweit wie möglich immer auszugleichen.
Brüx Und es heißt auch mal, der Bürgermeister ist aus Sevelen, der kommt nicht zu uns, oder umgekehrt. Aber das sind keine ernsthaften Debatten.
Möcking Und es stimmt ja auch nicht. Wir versuchen ja wirklich, überall dabei zu sein.
50 Jahre nach der Neuordnung nun eine für Sie sicherlich ketzerische Frage: Sind die Gemeinden mit etwas über 12.000 Einwohnern noch groß genug, um eine eigene Verwaltung zu tragen? Sollte man über größere Einheiten nachdenken?
Möcking Wo läge da der Vorteil? Wir haben die richtige Größe, um den Kontakt zu den Bürgern zu halten. Identität zur Heimat ist ein wichtiger Wert. Je größer, umso schwieriger wird das am Ende. Das steht übrigens auch ausdrücklich in der Gemeindeordnung.
Brüx Wir haben eine vernünftige Größe, auch heute noch. Und wir können eine leistungsfähige Verwaltung bieten.
Möcking Die Kommunen kooperieren ja auch, da wo es möglich und sinnvoll ist. Etwa bei der Kasse oder Ausschreibungen. In unserem Fall beim Thema Schule sogar kreisübergreifend.
Brüx Zudem übernimmt der Kreis einige Aufgaben, für die wir dann doch zu klein wären. So sind wir nicht Baugenehmigungsbehörde.
Möcking Auch hier läuft die Zusammenarbeit gut.