Öffentliche Verkehrsmittel mit Hindernissen Abenteuer Bus und Bahn von Issum nach München

Issum · Carlo Padilla schreibt über Segen und Fluch der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Fahrt von Issum nach München war nicht ohne Hindernisse zu bewältigen. Ein Abenteuer vor dem Lockdown light.

 Von Issum ging es für Irmgard und Carlo Padilla mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach München – ein Abenteuer.

Von Issum ging es für Irmgard und Carlo Padilla mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach München – ein Abenteuer.

Foto: Bianca Mokwa

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen oder schreiben. Das Ehepaar Irmgard und Carlo Padilla machte sich vor dem zweiten Lockdown auf, ihre Verwandten in der bayerischen Hauptstadt zu besuchen. Das Ziel: „allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln von unserem schönen Issum in die bayerische Landeshauptstadt München reisen und dort Verwandte besuchen“. Entstanden ist ein persönlicher Erfahrungsbericht: „Fünf Corona-Tage München 2020“.

Tag 1 ist überschrieben mit: Vom Niederrhein in die große bayerische Welt. Zu der Wahl der öffentlichen Verkehrsmittel schreibt Carlo Padilla: „Der Ambitioniertheit unseres Vorhabens sind wir uns durchaus bewusst. Aber wir lieben das Risiko!“

Mit Hilfe des Internets fühlen sie sich gut vorbereitet. „Wir brechen so früh auf, dass wir einen Bus früher als notwendig erreichen können“, lautet der enthusiastische Start. Frohgemut holpern die Issumer mit dem Rollkoffer und diversen Accessoires zur Bushaltestelle Issum Diebels. „Da erleben wir schon die erste Überraschung: Der Bus, mit dem wir laut Internet fahren wollen, ist auf der Tafel an der Haltestelle gar nicht aufgeführt. Unser anspruchsvolles Ziel, ohne fremde Unterstützung nach München zu reisen, ist schon gefährdet, obwohl die Reise noch gar nicht richtig begonnen hat.“ Nach einem kurzen Anruf bei der Tochter, Plan B, um zum Gelderner Bahnhof zu gelangen, erscheint der Bus doch. Zum ersten Mal auf der langen Reise werden die Masken ausgepackt und angezogen. Am Gelderner Bahnhof angekommen, informiert „bahn.de“ dass der Zug fünf Minuten später eintreffen wird. „Wir sind von der präzisen Information angenehm überrascht und fühlen uns bei der Deutschen Bahn gut aufgehoben“, schreibt Carlo Padilla. Besonders erstaunt sei man, weil die Deutsche Bahn über die „Verspätung“ der Nordwestbahn, eines ihrer Wettbewerber, in Kenntnis setze.

 Die Reise von Geldern bis Düsseldorf verläuft wie geplant, mit dem ICE geht es weiter nach München. Lange bleibt es aber nicht ruhig.

Die Zugleitung informiert darüber, dass es einen Wildschaden am Gleis gegeben habe. Ein Ersatzzug werde bereitgestellt. Über eine Umleitung könne die Fahrt fortgesetzt werden. „Wir verlassen den Zug und stehen mit nicht mehr so freudiger Erwartung und unseren Pappbechern auf dem Bahnsteig“, schreibt Padilla über den ungeplanten Zwischenstopp. Der Ersatzzug erweist sich als ein älteres ICE-Modell. Die Reservierung ist hinfällig, der Zug voll. Dafür gehe es ohne weitere Komplikationen bis nach München. „Kaum zu glauben, aber wahr! Die Bahn bringt das Kunststück fertig, pünktlich in München anzukommen.“

Tag 2 beginnt mit einem kulinarischen Stadtrundgang und Biergartenbesuch. Vor dem zweiten Lockdown war das noch möglich. Bestens virtuell durch Internet vorbereitet, macht das Issumer Ehepaar zum ersten Mal in der realen Welt Bekanntschaft mit den Feinheiten des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds MVV. Die Buchung am Automaten gelingt prompt. Nach dem Besuch der Verwandten will der Schwager, seit Jahrzehnten in München, seinen dörflichen Verwandten beim Lösen eines Fahrscheins für die Rückfahrt zum Hotel behilflich sein. Er steht unter Zeitdruck, weil die Tram naht. Auch das Drücken sämtlicher Knöpfe in planloser, immer schnellerer Reihenfolge bringt den Automaten nicht dazu, Fahrkarten herauszurücken. Diesmal klappt es nicht prompt.

Mit der S6 geht es bis zum Hauptbahnhof. Allerdings gab es noch eine missliche Kleinigkeit: Die S-Bahn hält im Hauptbahnhof eine Etage tiefer als die Deutsche Bahn. Ein bisschen Hin- und Herlaufen und der Fußgängermodus von Google Maps bringt das Ehepaar durch dunkle Umwege doch noch zum Hotel.

Tag 3 steht ganz im Zeichen des Besuchs bei Verwandten in Starnberg. Der Schwager hat genau informiert, wie es zur anderen Schwägerin in Starnberg mit der S6 geht. Einziges Hindernis: der Tarifdschungel des MVV. Auf der Rückfahrt lautet die Durchsage in Gauting, dass wegen spielender Kinder die Polizei die Gleise gesperrt habe und eine Weiterfahrt nicht möglich sei. Aber es werde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet, man könne mit einem Bus weiterfahren. Eine neue Durchsage teilt mit, dass man jetzt doch weiterfahren könne, wenn auch mit leichter Verspätung, weil eine vorausfahrender S-Bahn das Gleis blockiere. In Pasing gibt es wieder eine Durchsage. Diesmal, dass der Zug nun ende und alle aussteigen müssten. Wegen der aufgelaufenen Verspätung muss der Zug über den Ostbahnhof umgeleitet werden. Es heißt: aussteigen.

„Auf dem Bahnsteig herrscht jetzt trotz Corona ein fürchterliches Gedränge“, beschreibt Padilla die abendliche Lage. Das Ehepaar fragt die Sicherheitsleute vor Ort, wie sie nun zum Hauptbahnhof München kommen sollen. Die Sicherheitsleute teilen mit amtlicher Eindeutigkeit mit, dass die Issumer in den Zug einsteigen sollen, aus dem sie gerade hinauskomplimentiert worden sind. Was nun? Eine neue Anzeige sagt, dass man am gegenüberliegenden Bahnsteig zum Hauptbahnhof fahren könne. Das gelingt!

 Tag 4 findet das Treffen mit einer Nichte an der Frauenkirche statt mit Rundgang durch den Englischen Garten. Mit einer Fahrradrikscha geht es durch die Stadt. Diesmal bleiben die öffentlichen Verkehrsmittel von den Issumern ungenutzt.

 Tag 5 Die Abreise. Bereits eine halbe Stunde vor Abfahrt steht das Ehepaar wartend am vorgesehenen Gleis. Die Bahn-App teilt allerdings mit, dass der Zug von einem anderen Gleis abfährt. „Na ja“, denkt der Issumer, mittlerweile routiniert in Änderungen des Fahrtablaufs. Der EC fährt pünktlich ab. Im Zug teilt die Bahn-App mit, dass das Ehepaar voraussichtlich den Anschluss in Düsseldorf nicht erreichen werde.

Die nächste Durchsage meldet bahn-amtlich, dass es einen „Personenschaden mit Notarzteinsatz bei Olching“ gibt und die Verzögerung etwa 15 Minuten betragen wird. „Wir verstehen nicht genau, was das bedeutet, aber ahnen Schlimmes“, schreibt Padilla. Damit ist nicht die zeitliche Verzögerung gemeint.

Eine weitere Durchsage bedeutet eine Verspätung von 36 Minuten. Der Anschluss in Karlsruhe ist endgültig nicht mehr zu erreichen. Das Ehepaar recherchiert bei „bahn.de“ weitere Möglichkeiten der Weiterreise. Eine Durchsage teilt mit, dass der Zug umgeleitet wird. Die anschließende Bahn-App bedeutet eine Verspätung von 55 Minuten, und dass die Umstiegsdauer in Karlsruhe nun null Minuten beträgt. Verschiedene Apps melden verschiedene Möglichkeiten der Weiterfahrt, mal mit Umstieg in Köln, mal Fahrt ohne Umstieg direkt bis Düsseldorf. Der Zugbegleiter klärt auf: Der Zug habe zwei Teile. „Wir sitzen im falschen Zugteil. Da wir partout nicht nach Amsterdam, sondern Richtung Dortmund fahren wollen, entscheiden wir uns zu einer Befreiungstat“, schreibt Padilla. Umgestiegen wird in Mannheim. Trotz klemmender Tür klappt das.

 Mit einer Rikscha und zu Fuß ging es durch München.

Mit einer Rikscha und zu Fuß ging es durch München.

Foto: Anne Loos

Der Rest der Reise – Privatbahn bis Geldern, Bus bis Issum, Fußweg bis nach Hause verläuft unspektakulär. „Und das Tollste: Wie auf der Hinfahrt sind wir trotz aller unerwarteter Wendungen pünktlich zu Hause. Issum hat uns wieder“, lautet das Resümee. Und mit einem Augenzwinkern: Die Kenntnisse über die Wirkungsweise diverser öffentlicher Verkehrsmittel habe man dramatisch verbessern können.

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