„Lange Nacht der Ernährung“ In Straelen drehte sich alles ums Essen

Straelen · Erstmals fand die „Lange Nacht der Ernährung“ statt. Veranstalter war der Verein Ernährung-NRW. Referenten stellten in fünf Fachvorträgen Konzepte für eine modernisierte Lebensmittelindustrie vor.

 Diskutierten auf der „Langen Nacht der Ernährung“ (v.l.): Karl-Frieder Kottsieper, Stephan Kisters, Franz-Josef Dickopp, Margret Vosseler-Deppe und Andreas Heinz.

Diskutierten auf der „Langen Nacht der Ernährung“ (v.l.): Karl-Frieder Kottsieper, Stephan Kisters, Franz-Josef Dickopp, Margret Vosseler-Deppe und Andreas Heinz.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Vor welchen Herausforderungen steht die NRW-Lebensmittelindustrie? Wie steht es um den kleinen, lokalen Bauern? Welche neuen Wege gehen innovative Unternehmen in dieser Branche? Diese Fragen wurden am Freitag bei der „Nacht der Ernährung“ im Hotel „Straelener Hof“ behandelt. Veranstalter Andreas Heinz, Vorsitzender des Vereins Ernährung-NRW, freute sich mit zahlreichen Gästen aus Lebensmittelindustrie, Agrarwesen und Politik auf den Austausch. Der Abteilungsleiter für Landwirtschaft des Umweltministeriums, Jan Dietzel, lobte die innovative Veranstaltung und hob die Bedeutung der nordrhein-westfälischen Lebensmittelindustrie hervor. Von den deutschlandweit 50 stärksten Unternehmen der Lebensmittelindustrie seien die meisten in NRW angesiedelt. Das Ministerium will die „erlebbare Heimat“ im Bereich der Lebensmittel unterstützen, informierte Dietzel. Deswegen werden die Vorhaben des Vereins Ernährung-NRW vom Umweltministerium gefördert.

Fünf Referenten hielten Fachvorträge rund um Ernährung, Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. Theo Douven, Geschäftsführer beim niederländischen Unternehmen abb Growers, stellte das Erfolgsrezept seines Unternehmens, das sich auf die Vermarktung von Blaubeeren spezialisiert hat, vor. Gegenwärtig findet die Ernte noch durch Menschenhand statt. Doch eine Vollautomatisierung von der Ernte bis zur Verpackung wird angestrebt.

Der Professor für Agrarwissenschaften Gerhard Schwarting lieferte einen Überblick über die Situation der Landwirtschaft, Tierhaltung und Tierernährung in Deutschland. Das Agrarwesen sei in vielen Bereichen nur noch für große landwirtschaftliche Betriebe lukrativ. Kleine Bauern mit wenigen Hektar Land kommen durch die vom Markt verlangte Niedrigpreisgarantie in vielen Fällen nicht mehr auf einen grünen Zweig. Dies ist auch einer von vielen Gründen, warum die nächste Generation der kleinen Landwirte familiäre Betriebe zunehmend nicht übernimmt. Die Politik verfolge zudem eine Agenda, die günstige Lebensmittel fordert. Selbst Bündnis 90/Die Grünen, die sich als Anwalt der kleinen Landwirte verstehen, machen laut Schwarting letztendlich Politik für die großindustrielle Landwirtschaft. Darüber hinaus werden lediglich 14 Prozent der privaten Haushaltseinkommen gegenwärtig in Deutschland für Lebensmittel ausgegeben. Einen Anstieg dieses Anteils hält er für unwahrscheinlich. Andernfalls müssten wohl rund 100 Milliarden Euro in Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV gesteckt werden. Der hohe Fleischkonsum der Deutschen fordere die Industrie der Massentierhaltung heraus.

Der Journalist Gerhard Schmidt referierte über die Digitale Transformation in der Ernährungswirtschaft. Das globale Bevölkerungswachstum und Konsumverhalten wird auch in den nächsten Jahren den Bedarf an Lebensmittel erhöhen. Themen wie der 3-D-Druck von Lebensmittel gelten gegenwärtig noch als Science Fiction, wird an der Universität in Weihenstephan jedoch schon praktiziert. Auch das Agrarwesen wird zunehmend digitalisiert. Vorteile können hier weniger Bürokratie sein, die Angst vor fehlender Datensicherheit sei jedoch stets ein Thema. Die Möglichkeiten der Digitalisierung müssten wahrgenommen werden. Andernfalls drohe der Anschluss an die Lebensmittelindustrie anderer Länder.

Marco De Benedetti und Stefan Strehle von Bofrost stellten ihre hauseigene Online-Community „The Tasty Table“ vor. Bofrost will damit insbesondere die jüngeren Generationen erreichen, die in den sozialen Netzwerken aktiv sind. „Blogger sind die wichtigsten Multiplikatoren, die wir auf dem Markt finden können“, lässt De Benedetti, der Marketingexperte des Unternehmens, wissen.

Christoph Klotter, Professor für Ernährungspsychologie, rundete den Abend mit einem humoristischen Vortrag über die Frage, ob Essen zu einem Identitätsstifter geworden sei, ab. Im 21. Jahrhundert stehe der Fleisch konsumierende „Traditionsesser“ dem „Alternativesser“ gegenüber. Hier ähnelt es einem Klassenkampf, bei dem sich der vegane Alternativesser dem Fleisch konsumierenden Traditionsesser überlegen fühlt.

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