Erfolgsgeschichte mit schwierigem Start Die Siedler von Lüllingen

Lüllingen · Im Jahre 1929 wurde Deutschlands erste Rentengutsiedlung gegründet. Die ersten 17 Siedler waren ausgewählte Gärtner, Fachmänner im Gemüsebau, die der immer drückender werdenden Auslandskonkurrenz Paroli bieten sollten.

 Manfred Molderings, Ingo Seidl, Matthias Willemsen, Hans van Leuven, Kurt Münster und Josef Middendorf lassen alte Geschichten aufleben.

Manfred Molderings, Ingo Seidl, Matthias Willemsen, Hans van Leuven, Kurt Münster und Josef Middendorf lassen alte Geschichten aufleben.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Es erinnert nicht mehr viel an die Gründerzeit der Lüllinger Gärtner-Siedlung, wenn man eine kleine Rundreise entlang des Nierskanals macht. Moderne Gärtnereien mit Treibhäusern und großen Flächen von Eriken- oder Callunenfeldern prägen das Bild. Doch zwischen den neuen Anwesen der hier ansässigen Gärtner stehen noch die ersten Siedlungshäuser aus der Gründerzeit im Jahre 1929 und lassen erahnen, wie hier vor rund 90 Jahren mit Deutschlands erster Rentengutsiedlung alles begann. Die ersten 17 Siedler waren ausgewählte Gärtner, Fachmänner im Gemüsebau, die der immer drückender werdenden Auslandskonkurrenz Paroli bieten sollten.

Die Arbeiten für diese Siedlung begannen schon im Jahre 1927 mit der Rodung des Kluser Waldes. Dann ging es schnell, bereits im Spätherbst 1928 zogen die ersten Siedler ein, im Frühjahr 1929 waren alle 17 Stellen besetzt. Die Mehrzahl der Siedler war im Kreis Geldern beheimatet, andere stammten aus Oberschlesien und Ostpreußen sowie aus der Berliner Gegend und vom Oberrhein. Die Siedlerstelle war eine 1,5-Hektar-Einheit mit kleinem Wohnhaus. Für die Produktion standen ein kleines Jungpflanzenzuchthaus von 100 Quadratmetern, ein kleiner Fensterblock von 300 Quadratmetern und etwa 100 Frühbeetfenster zur Verfügung.

Jahre härtester Arbeit und bitterer Enttäuschungen nahmen damals ihren Anfang. Das Gelände wurde von der Gelderner Kreisbahn durchschnitten, dadurch waren die Transportwege für die Gärtner schon weitgehend gelöst. Zwar erzielte die Siedlung in den Anfängen durchaus befriedigende Erträge, doch der Preisverfall für Freilandgemüse war in den ersten Jahren dramatisch. Hinzu kam die Weltwirtschaftskrise und so drohte vielen Gärtnern schon nach wenigen Jahren das finanzielle Aus. Erst der politische Umbruch im Jahre 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der damit verbundene Ruf nach deutscher Ware brachten die Wende, und allmählich stabilisierte sich die Lage in den Betrieben. Die Anlaufjahre waren überstanden, aber dann folgten die Kriegsjahre, danach galt es, die kriegsbedingten Schäden zu beheben.

Im Jahre 1949 bahnte sich in der Lüllinger Gärtnersiedlung eine neue Ära an. Die „Siedler“ hatten ja schon als eine Art Schicksalsgemeinschaft viele Höhen und Tiefen erlebt, zeigten Erfindergeist mit der Konstruktion von Topfmaschinen oder Gieß- und Bohrwagen und schafften so die Grundlagen für den Aufschwung nach dem Krieg. Weg vom Gemüse und hin zu den Blumen, hieß es nun. Der Glaseinsatz hatte sich je Betrieb auf rund 1500 Quadratmeter heizbare Glashausfläche erhöht. Als Kulturen folgten Schnittblumen, allen voran die damals beliebte großblumige Nelke. Aber auch Chrysanthemen, Rosen oder Gerbera wurden in Kultur genommen.

Die Betriebe erlebten in den nächsten Jahrzehnten einen beachtlichen Aufschwung. So wurde aus dem ehemaligen „Kluser Gemüsegarten“ mehr und mehr eine blühende Erikenlandschaft. Zwar sorgte die Ölkrise 1973 nach Jahren günstiger Energiepreise noch einmal für einen „Schock“, aber auch diese Situation meisterten die krisengewohnten Siedler. Im Jahre 2004, beim 75-jährigen Bestehen, waren die Gärtner­stellen von anfänglich 17 auf elf Betriebe geschrumpft.

 Die Gärtnersiedlung aus der Luft.

Die Gärtnersiedlung aus der Luft.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Heute, etwas mehr als 90 Jahre nach der Gründung, sind es noch sieben große und moderne Gärtnereibetriebe. Bei der Fahrt durch die „blühenden Landschaften“ weiß Hans van Leuven, der 1961 den Betrieb von Franz Virnich übernahm und den seine Söhne heute weiterführen, viel über die Geschichte der Siedlergemeinschaft zu erzählen. Auch heute noch ist der Zusammenhalt der Gärtner groß. Wenn es was zu feiern gibt, trifft man sich im gemütlichen Pavillon und lässt die alten Geschichten noch einmal aufleben.

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