Brauchtum Als Teenager ein heiliger Mann

HERONGEN · Seit 60 Jahren gibt es in Herongen den Nikolausrundgang. Im Dreiergespann werden am Abend des 5. Dezember mehr als 200 Kinder in der Ortschaft beschenkt. Wer als heiliger Mann unterwegs ist, muss improvisieren können. Der Nikolausverein sucht ein Domizil.

 Heronger Nikoläuse und Engel: Laura Köhler, Janina Honnen, Klaus Kox, Johannes Backes, Johannes Knapp (sitzend) und Bela Kox.

Heronger Nikoläuse und Engel: Laura Köhler, Janina Honnen, Klaus Kox, Johannes Backes, Johannes Knapp (sitzend) und Bela Kox.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Mancher Heronger macht in jungen Jahren eine Wandlung durch. Vom Teenager wird er in Minutenschnelle zum heiligen Mann. Bei Johannes Knapp etwa war es so, und bei Johannes Backes auch. Die Attribute für die Metamorphose: ein weißes langes Untergewand, ein roter Samtumhang, ein weißer Rauschebart, eine Mitra, ein Bischofsstab und ein dickes goldenes Buch. So verkleidet ziehen die Nikoläuse des Nikolausvereins Herongen am Abend des 5. Dezember von Haus zu Haus, begleitet von je einem Engel und einem Fahrer. Seit 60 Jahren wird dieser Brauch in der Ortschaft gepflegt.

An seine Nikolaus-Premiere vor 47 Jahren kann sich Johannes Backes noch gut erinnern. „Ich war wohl nervöser als die Kinder, meine Beine zitterten.“ Obwohl der damals 17-Jährige die Prozedur natürlich nur allzu gut kannte. Schließlich war es nicht gar so lange her, dass er als kleiner Junge dem heiligen Mann ein Lied singen oder ein Gedicht aufsagen musste, bevor es zur Bescherung kam. Doch während die den Nikolaus begleitenden Engel eine schweigende Rolle haben, muss der Gabenbringer einige Aufgaben erfüllen. „Das kann nicht jeder machen“, meint Willy Köhler, der den Nikolausverein seit 1983 leitet.

Das fängt damit an, dass die imposante Gestalt aufpassen muss, mit Bischofsmütze und -stab in den manchmal engen Zimmern nirgendwo hängen zu bleiben. Dann geht es darum, aus den Stichworten auf den von den Eltern überreichten Spickzetteln eine kindgerechte Rede zu improvisieren. Da müssen dann tadelns- wie lobenswerte Eigenschaften untergebracht werden: Das Kind lutscht Daumen, kann schlecht verlieren, spielt gern Fußball und hilft beim Kochen. Und dann muss auf das Verhalten der Kinder reagiert werden. „Wenn jemand weint, beruhigend einreden“, weiß Nikolaus-Routinier Backes. Manchmal müssten Erwachsene ermahnt werden, dem Besuch des Heiligen den schuldigen Respekt entgegen zu bringen. „Insgesamt muss man zeigen, dass der Nikolaus ein gutmütiger Riese ist“, sagt Klaus Kox, der diese Rolle seit 19 Jahren ausfüllt.

Eine Besonderheit bei ihm ist, dass seine Frau Bela seit 1999 beim Nikolausrundgang der Engel an seiner Seite ist. „Weil man immer im gleichen Bezirk unterwegs ist, sieht man die Kinder über die Jahre wachsen“, erzählt sie. Man kenne die Namen, und wenn dann jemand auch noch zu den Kumpels des eigenen Sohns gehört, kennt man so viele vermeintlich geheime Details, dass das Kind ob der „Allwissenheit“ des Besuchers große Augen macht. Es seien manchmal aber auch naseweise Steppkes dabei, berichtet Köhler. „Du bist ja gar nicht der Nikolaus“, sagen sie dem großen Mann ins Gesicht. Was der dann auch unumwunden zugibt, bevor er die Gelegenheit ergreift, dem Kind des 21. Jahrhunderts die uralte Legende des Bischofs von Myra zu erzählen. Was dann wiederum den jungen Zuhörer beeindruckt.

Zehn Dreiergespanne aus Nikolaus, Engel und Fahrer werden in diesem Jahr in Herongen am Nikolausabend unterwegs sein. Etwa 130 Familien mit rund 210 Kindern im Alter von zwei bis etwa zehn Jahren werden besucht. Die Touren ergeben sich aus den im Kindergarten aushängenden Listen und aus den Absprachen vom Vorjahr. „Normalerweise vergessen wir keinen“, sagt Köhler. Jedes Kind bekommt einen Weckmann und Süßigkeiten, Spenden von Eltern sorgen bisher zuverlässig für die Finanzierung der Aktion, wozu auch hin und wieder das Beschaffen von Textilien zum Nähen der Kostüme gehört.

Das Einzige, was dem Nikolausverein fehlt, ist ein Domizil in Herongen. Geeignete Lokale, um sich vor dem Rundgang umziehen zu können, gibt es laut Köhler in dem Ort nicht mehr. Deshalb gehen die Akteure am 5. Dezember ins „Exil“ nach Gielen in Broekhuysen. Dort findet nach dem bis zu dreistündigen Rundgang auch das gemütliche Beisammensein statt. Mit Essen, Quiz und Wichteln. Denn auch der Nikolaus freut sich über ein kleines Geschenk.

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