Literatur zum Nulltarif Der Lese-Hotspot von Geldern

Geldern · Seit rund anderthalb Jahren können sich Passanten in der Innenstadt am Bücherschrank mit Lektüre versorgen. Die Resonanz auf die Säule am Markt übertrifft die Erwartungen der Ideengeber.

 Liss Steeger (M.) ordnet neu, Fabian Scholz und Uliana Budzinskaya interessieren sich für das Lese-Angebot.

Liss Steeger (M.) ordnet neu, Fabian Scholz und Uliana Budzinskaya interessieren sich für das Lese-Angebot.

Foto: Klatt

Interessiert bleibt der junge Mann stehen. Ein dickes Buch hinter einer Plexiglastür hat seine Aufmerksamkeit erregt. Der Fantasy-Liebhaber öffnet die Tür und greift entschlossen nach dem Band mit Geschichten von William Gibson und Bruce Sterling. Vertieft in seinen neuen Schatz zieht er von dannen.

Dabei nutzt er das Konzept „Ein Buch herausnehmen und ein bereits gelesenes zurücklassen“ des seit rund anderthalb Jahren bestehenden Bücherschrankes in Geldern am Markt. Direkt neben der kleinen Anlaufstelle für Leseratten auf der Suche nach neuem Futter ist das Büro des Kneipp-Vereins, der sich um den Schrank kümmert.

Die Idee hatte Liss Steeger, die Frau des Vereinsvorsitzenden. Sie und Ihr Mann hatten ähnliche Bücherschränke schon in anderen Städten gesehen und sich so etwas auch für Geldern gewünscht. Bürgermeister Sven Kaiser sagte zu diesem Plan, der Markt sei schon immer ein Ort des Austausches und Handels gewesen, weshalb er auch der richtige Platz für den neuen Bücherschrank sei. Die Baukosten haben das Energieunternehmen Innogy und die Gelderner Stadtwerke getragen, den Entwurf steuerte der Stadtplaner Hans-Jürgen Greve bei.

Heute erfreut sich der Bücherschrank immer noch großer Beliebtheit. Wenn es nicht gerade regnet, sieht man oft jemanden davor stehen. „Wie früher in den Backhäuschen ist der Bücherschrank somit auch ein Ort, um sich zu treffen und über die Bücher zu plaudern“, so Liss Steeger.

„Dass der Bücherschrank so gut ankommt, haben wir nicht erwartet.“ Mit „wir“ meint die 60-Jährige außer sich Jessica Bosch und Maritta Peters aus der Buchannahme des Bücherschranks und vor allem die ehrenamtliche Unterstützerin Karin Großkämper. Auch Liss Steeger selbst ist sehr von Büchern begeistert, und die Literatursäule am Markt erfüllt ihren großen Traum. Sie selbst besucht den Bücherschrank jeden zweiten Tag und schaut nach dem Rechten. Dann sortiert, putzt und kontrolliert sie alles. Manchmal leiht sie selbst auch Bücher aus, wobei sie sehr gerne Fachbücher zur Persönlichkeitsentwicklung, passend zu den fünf Säulen Kneipps, bevorzugt. „Der Bücherschrank passt auch zur Lebensfreude, der fünften Säule des Vereins.“ Angst vor Vandalismus und großem Verlust hat sie deshalb auch keine. Man solle eher positiv über den Schrank denken, was auch die meisten Gelderner tun. Zweimal wurde über ein Drittel der gespendeten Bücher auf einmal ausgeliehen, doch die Patinnen haben eine ausreichende Reserve.

„Vor allem beliebt sind Krimis und historische Romane bei den Besuchern“, meint die Geldernerin. Fantasy, Science Fiction und andere leichte Lektüre werden auch nicht selten geliehen.

Die Idee vom kostenlosen Ausleihen und Behalten der Bücher klingt zunächst wie Konkurrenz für die ohnehin schwächelnden Buchhandlungen und Bibliotheken, doch laut Steeger sind solche Konzepte im Gegenteil eine Ermutigung zum Lesen von neueren Büchern. Dass der Schrank überhaupt gebaut wurde, ist für sie ein Zeichen für den Fortbestand des gedruckten Buches.

Die positive Aufnahme dieses kostenlosen Bücher-Hotspots der Gelderner wird vor allem an der Quote des wöchentlichen Spendenbetrages deutlich: Durchschnittlich kommen zehn Bücher dazu.

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