Rp-Serie 50 Jahre Kinder- Und Jugendpsychiatrie Lvr-Klinik (5) In der Gruppe gegen die Angst

Geldern · Angst ist nicht verkehrt - aber wenn sie immer wieder in unbegründeten Momenten auftritt, wenn sie lähmt, dann muss sie behandelt werden bevor sie zur festen Krankheit wird. TRuSt ist ein ambulantes Gruppentraining für Jugendliche ab 15 Jahre.

 Amir Djawadi und Mira Moerkerk mit einer Angst-Kurve.

Amir Djawadi und Mira Moerkerk mit einer Angst-Kurve.

Foto: Gottfried Evers

Niederrhein Lena ist 15 und kam nicht mehr zu Recht. Nicht in der Schule, nicht in der Gruppe. Sie hatte Angst zu versagen, Angst ausgelacht zu werden. Die Angst breitete sich aus wie ein Virus. Griff um sich, nahm Besitz vom Körper, lähmte die Schülerin. Was sie nicht wusste: viele Jugendliche leiden unter Ängsten, wie die Angst vor dem Referat in der Schule - wenn die Sprache zu einem Stottern verkommt, der Schweiß ausbricht, die anderen Lachen. Das Lachen verstärkt wieder die Angst - bis nichts mehr geht.

Manche trauen sich nicht über einen offenen Platz, können Fremde nicht nach der Uhrzeit fragen, trauen sich nicht, im Geschäft den Verkäufer um Rat zu fragen, wenn man die richtige Größe nicht findet. Sie ziehen sich zurück, werden zu Einzelgängern. "Man kann die Angst behandeln, kann das in den Griff bekommen. Angst ist kein Monster!", sagt Mira Moerkerk. Angst an sich sei nicht verkehrt - aber wenn sie immer wieder bei unbegründeten Momenten auftritt, wenn sie lähmt, dann müsse man sie behandeln, erklärt die Psychologin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik Bedburg-Hau. Man müsse sie behandeln, bevor sie zur festen Krankheit wird, zur Depression. Moerkerk arbeitet mit Patienten zwischen 15 und 18 Jahren an der Angst - sie zu überwinden, sie zu beherrschen.

"Es sind ganz unterschiedliche Probleme, die zu Angstzuständen führen", sagt Amir Djawadi, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das kann ein traumatisches Erlebnis sein, das aufgearbeitet werden muss, das kann Mobbing in der Schule sein, das können zu starke Selbstzweifel sein, erklärt der Facharzt.

Ein traumatisches Erlebnis kann auch bei jungen Menschen, die vorher stark schienen, zu Angstzuständen führen. "Die Ursachen klären wir in einem Einzelgespräch", sagt Djawadi. In den Gesprächen und vor allem in der Gruppe wird daran gearbeitet, die Angst zu überwinden. Man geht auch nach draußen. Und in den Hochseilgarten. In der Regel muss man Angstzustände nicht medikamentös behandeln, sagt Djawadi. "Wir arbeiten mit kognitiver Verhaltenstherapie", sagt er. Die Angst werde wie ein Muskel trainiert, sagt der Arzt und legt verschiedene Kurven auf den Tisch, die zeigen, dass nach einem bestimmten Zeitraum die zunächst steile Angstkurve flacher wird. "Die Belohnung darf nicht darin bestehen, dass man der Angst ausweicht, sondern dass man sich ihr stellt, ohne in Panik zu geraten", sagt Moerkerk. Dann sehe der Patient bald: "Du hast das ja schon einmal geschafft". Ein erster Behandlungserfolg.

TRuSt heißt ein weiteres Programm, mit dem den Jugendlichen ihre Angst genommen werden soll: TRuSt steht für Training zum Entdecken von Ressourcen und Stärken, lässt sich auch als Fremdwort lesen und als Vertrauen übersetzen - Vertrauen in sich und seine Stärken. TRuSt zeigte Lena, dass sie nicht allein war mit ihren Ängsten.

"Wir legen großen Wert auf die individuelle Einstellung der Patienten. Das Ziel ist die Verbesserung des Selbstwertgefühls und der sichere Umgang in Gruppen von Gleichaltrigen, wie beispielsweise TRuSt", sagt Djawadi.

Nach der Therapie soll der Patient in der Lage sein, sich auch vor die Gruppe zu stellen, einen Vortrag zu halten, soll in der Lage sein, Gespräche mit fremden Menschen zu führen. Kurz: Er soll seine Angst möglichst in den Griff bekommen. Und wieder über einen Platz gehen können.

Dazu trifft sich beispielsweise die TRuSt-Gruppe 14 Mal jeweils zwei Stunden. Zunächst lernen sich die Mitglieder kennen. "Wir schauen später, welchen Ressourcen und Stärken habe ich, welche Ziele und Bedürfnisse", erklärt Moerkerk. Theorie und praktische Übungen wechseln ab, es gibt Entspannungsübungen. Zwei bis drei Monate nach Beendigung der Gruppe wird ein Nachtreffen organisiert - dann stehen die gemachten Erfahrungen auf dem Programm.

"Wichtig ist, dass die Jugendlichen wollen, dass sie motiviert sind, ihre Angst zu überwinden", sagt Djawadi. Kinder und Jugendliche mit Angstsymptomen kommen aus allen Schulformen. Für Lena war vor allem die Gruppe wichtig. Ihr Fazit: "Die Gruppe hilft einem, seine Stärken zu entdecken und an sich zu glauben - egal, was andere sagen". Lena hat jetzt ihre Angst im Griff.

Infos: Kinder- und Jugendpsychiatrie, Telefon 02821 81-3401 oder E-Mail an amir.djawadi@lvr.de. Die Kosten der beschriebenen Therapie übernimmt im Regelfall die Krankenkasse.

(RP)
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