Gericht in Geldern Hohe Haftstrafen für Drogenköche gefordert

KLEVE/WACHTENDONK · Im Prozess um das Wachtendonker Amphetamin-Labor wurden die Plädoyers gehalten.

 Die Polizei hatte bei einer Razzia im April 2018 die Drogenküche entdeckt.

Die Polizei hatte bei einer Razzia im April 2018 die Drogenküche entdeckt.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

75 Minuten brauchten die Klever Staatsanwälte am Donnerstag, um ihr umfangreiches Plädoyer im Prozess um das Wachtendonker Amphetamin-Labor vorzutragen. Gut vier Monate hatte die Beweisaufnahme des Prozesses gedauert, in dem sich sechs Angeklagte aus Deutschland, Polen und den Niederlanden wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem Klever Landgericht verantworten müssen.

Dabei spreche man von einer Amphetaminmenge, „wie sie in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik so noch nicht festgestellt wurde“, so Staatsanwalt Ralf Trepmann. Die Staatsanwaltschaft Kleve geht davon aus, dass von Ende Januar bis Ende April 2018 mindestens zehn Mal 60 Liter Amphetamin-Öl in dem professionellen Wachtendonker Labor hergestellt worden seien. Hinzu kämen noch 143 Liter, die die Ermittler bei der großangelegten Razzia am 24. April 2018 entdeckten.

743 Liter, daraus ließen sich laut Staatsanwaltschaft etwa 3,2 Tonnen der pulverförmigen synthetischen Aufputschdroge Amphetamin – auch „Speed“ genannt – herstellen. Um die Dimensionen des Prozesses zu verdeutlichen, nannte Trepmann eine weitere Zahl: 1,7 Tonnen Amphetamin. So viel sei laut Bundeskriminalamt in der Bundesrepublik im gesamten Jahr 2017 sichergestellt worden.

In der umfangreichen Beweisaufnahme habe sich der Anklagevorwurf wesentlich bestätigt, so Trepmann weiter. Alle sechs Angeklagten seien eingeweiht und beteiligt gewesen – vom Fahrer über den „Hofknecht“ bis hin zum Laborchef. Alle sechs seien dementsprechend zu verurteilen – teils wegen Beihilfe, teils wegen Täterschaft.

Die höchste Freiheitsstrafe forderte die Staatsanwaltschaft für den 40-jährigen niederländischen Angeklagten. Elf Jahre und sechs Monate Haft beantragte Staatsanwalt Merchlowski wegen bandenmäßigen Handeltreibens in elf Fällen. Zudem seien 60.000 Euro, die der Niederländer an der Amphetaminproduktion verdient habe, als Wertersatz einzuziehen. Laut Staatsanwaltschaft sei der Angeklagte einer der Initiatoren des Drogenlabors in Wachtendonk und als „Senior-Chef“ auch für die Produktion hauptverantwortlich gewesen.

Der mitangeklagte Sohn der (ebenfalls angeklagten) Hofbesitzerin sei zu sechs Jahren und sechs Monaten zu verurteilen. Er habe sich mit der Zeit zu einer Art „Junior-Chef“ des Labors hochgearbeitet. „Sie sind nicht nur eingestiegen, sie haben sich auch anlernen lassen und die Produktion in großem Umfang übernommen“, so Trepmann zum Angeklagten.

Die Plädoyers der sechs Verteidiger bewegten sich zwischen weitgehender Zustimmung zu den staatsanwaltlichen Ausführungen bis hin zu deren Ablehnung. Einen Freispruch beantragte aber einzig der Rechtsanwalt des 41-jährigen Angeklagten aus Polen: Dieser habe – entgegen des Ergebnisses der Staatsanwaltschaft einer Beihilfe – nichts von den illegalen Absichten gewusst. Er habe lediglich Chemikalien von A nach B transportiert.

Die erste große Strafkammer zog sich nach den teils umfangreichen Plädoyers der Verteidigung zur Beratung zurück. Am kommenden Mittwoch, 3. April, um 10 Uhr soll das Urteil am Landgericht in Kleve verkündet werden. Vielleicht nicht das letzte Amphetamin-Urteil in Kleve, folgt man den Ausführungen von Staatsanwalt Trepmann.

Dieser erläuterte, dass das von bisher unbekannten Hintermännern initiierte Amphetaminlabor möglicherweise Symptom einer Entwicklung in den Niederlanden sei: Dort übe die Zivilbevölkerung zunehmend Druck auf die Behörden aus, weil illegale Amphetaminlabore ihren Müll ebenso illegal entsorgen und damit die Umwelt stark belasten. Die Folge: Niederländische Ermittler schärfen ihren Fokus auf die Speed-Labore – und die Drogenringe weichen an den benachbarten Niederrhein aus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort