Aktion Sie machen Flüchtlinge mobil

Herongen · Alwin Terporten und Lambert Rous reparieren alte Fahrräder. Die wieder verkehrstauglichen „Drahtesel“ geben sie an Asylbewerber in Straelen ab. Jeden Dienstagvormittag schraubt und feilt das Duo in Terportens Garage.

 Alwin Terporten kontrolliert die Lichtanlage. Oft kommen die Räder in schlechtem Zustand in seine Garage. Doch nach der Arbeit sind sie wieder absolut verkehrssicher

Alwin Terporten kontrolliert die Lichtanlage. Oft kommen die Räder in schlechtem Zustand in seine Garage. Doch nach der Arbeit sind sie wieder absolut verkehrssicher

Foto: Gottfried Evers/Evers, Gottfried (eve)

Wer auf Reinlichkeit bedacht ist, sollte diese Kette vielleicht besser nicht anfassen. Ölig ist sie, und an einigen Stellen auch etwas rostig. Alwin Terporten hält sie in die Höhe und mustert sie gemeinsam mit Lambert Rous. „Die ist vielleicht noch zu gebrauchen“, urteilen die beiden Männer. Zu gebrauchen, um als Ersatzteil an eines der Fahrräder zu kommen, die in Terportens Garage darauf warten, wieder straßentauglich zu werden.

Seit mehr als drei Jahren ist der Heronger als Fahrrad-Reparateur im Einsatz. Zu dieser besonderen Aufgabe kam er durch sein Engagement im ökumenischen Arbeitskreis Asyl, bei dem er seit Dezember 2014 aktiv ist. „Ich betreute eine Familie mit vier Kindern aus dem Kosovo. Der habe ich das Fahrrad meines Enkels gegeben.“ Der 73-Jährige erinnert sich noch gut, welche Freude er damit auslöste. Ihm kam damals der Gedanke: Die Asylbewerber sind meist in den Außenbezirken untergebracht. Doch sie müssen mobil sein, um zur Bushaltestelle zu kommen, zum Arzt, zur Schule.

Anfang 2015 machte er im Pfarrbrief von St. Marien Wachtendonk, Wankum, Herongen Werbung für sein Fahrrad-Projekt. Und musste auf Reaktionen nicht lange warten. „Es kamen viele Fahrräder“, berichtet Terporten. Und der Strom ist bis heute nicht versiegt. „Das hat sich eingebürgert.“ Vor allem aus dem Straelener Raum finden die Drahtesel ihren Weg zum Mühlenberg.

Dort schraubt Terporten, früher beruflich als Flugzeugtechniker tätig, nicht mehr alleine. Seit Ende 2015 bildet er mit Lambert Rous (66) ein Tandem. Rous, der Maschinenbauer, wurde vom Arbeitskreis angesprochen, ob er nicht mitmachen wolle beim Reparieren. Jeden Dienstagvormittag schraubt und feilt das Duo in Terportens Garage. „Aber der Alwin ist täglich dran“, sagt Rous.

Nicht nur von Privatleuten stammen die „Drahtesel“, sondern nicht selten auch vom Fundamt. „Die sind zum Teil in einem erbärmlichen Zustand“, urteilt Terporten. Das sind dann die Exemplare, für die mal locker 20 Stunden Arbeit draufgehen. Manchmal aber ist so ein Rad auch nach nur einer Stunde wieder fit. Am meisten Mühe machen Mountainbikes. Und knifflig wird es zum Beispiel bei modernen Schaltungen. Rous: „Aber wenn man einmal den Bogen raus hat, geht’s schneller.“

Beleuchtung, Kettenschutz, Dynamo – das zählt Terporten als typische Schäden auf. Die Reparaturen wollen die beiden Männer möglichst preiswert halten, indem sie zum Beispiel nicht mehr so ansehnliche Schutzbleche ausbeulen. Unterstützung erhalten sie seit März von Said, einem 17-jährigen Afghanen. Der brachte ein Rad zur Reparatur und wurde von Terporten gefragt, ob er nicht mitmachen wolle. Er wollte. „So lerne ich Reparieren und dabei gleichzeitig Deutsch.“ Und weil er später mal Mechatroniker werden möchte, sieht er den Umgang mit Schraubenschlüssel und Ölkännchen als eine gute Vorübung.

Manchmal geht so eine Reparatur auch richtig ins Geld. Unterstützung bekommt das Projekt von vielen Seiten. Terporten: „Ich kaufe bei einem hiesigen Fahrradgeschäft, das auch Altteile sponsert.“ Kollekten fließen in die kleine Werkstatt, Privat- und Firmenspenden für den Arbeitskreis.

In einem dicken grünen Ordner sind bisher 172 reparierte Räder verzeichnet. Sie sind auf DIN-A-Blättern dokumentiert samt dem Namen des Empfängers. Die Fahrräder werden gegen eine Kaution abgegeben, damit sie nicht nach kurzer Zeit als „gestohlen“ gemeldet werden. Zu erkennen sind Fahrräder aus Terportens Garage auch an einem „AS“ samt Ziffer auf dem hinteren Schutzblech.

Ein Ende ihres Projekts sehen Alwin Terporten und Lambert Rous noch lange nicht. Immer wieder, erfahren sie, werden Räder kaputt gemacht. Und eine Hilfsorganisation hat auch ihr Interesse an diesem Service angemeldet.

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