Haldern-Countdown Eine belgische Billie Holiday und heißer Stoff aus Köln

Geldern · Am 11. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redakteur Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

 Schwarze Songs aus Belgien: Mélanie de Basio.

Schwarze Songs aus Belgien: Mélanie de Basio.

Foto: David Haesaert

Am 11. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redakteur Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

Money - Suicide Songs Na klar, der Albumtitel klingt nicht nach Polonaise. Und logisch: Wer auch nur eine Minute des Albums "Suicide Songs" der Band Money aus Manchester gehört hat, der weiß, dass diese Musik auf den Autoselbstfahranlagen dieser Republik niemals gespielt werden wird. Zu akustischer Gitarre wird hier herzergreifend in die ewige Wehklage über die Tücken des Lebens eingestimmt. Die grundlegenden Fragen halt: Wer bin ich und wenn ja: Wie lange? Vieles erinnert hier an The Smiths, nur klingt Sänger Jamie Lees Stimme brüchiger. Und es fehlt der Hit. Aber wahrscheinlich wollen die das auch gar nicht. "A cocaine Christmas and an alcoholic's New Year" heißt das letzte Lied. Womit ihnen zum Schluss vielleicht doch noch eine Polonaise gesichert wird.

Klingt nach: Andrew Bird, The Smiths (Punkte: 3,5/5).

Minor Victories - Minor Victories

"Supergroup" ist der Musikjournalist schnell zu urteilen geneigt, wenn sich Musiker mehrerer bekannter Bands zusammenschließen. Der Ertrag ist jedoch selten gewinnbringend. Im Falle der Minor Victories ist das Etikett "Supergroup" zwar übertrieben - hier haben sich schließlich nur Mitglieder von Bands wie Slowdive, Mogwai und den Editors zusammengeschlossen. Herausragend ist aber der Ergebnis: Das Songwriting der Editors vereint sich mit dem dramatischen Rock von Mogwai und der Shoegazing-Rock von Slowdive. Postrock kann man dieses Amalgam wohl nennen. Die Songs klingen stets wie das Gewitter kurz vor dem Ausbruch. Sängerin Rachel Goswell (Slowdive) gibt dem Projekt die Stimme, sie flüstert und fleht - zusammen mit Streichern und kräftig bearbeitenden Drums wird hier eine spannende Atmosphäre erzeugt. Super zwar, aber zum Glück nicht Superband.

Klingt nach: Muse, Slowdive, Mogwai (Punkte: 5/5).

Mélanie de Biasio - No Deal Als belgische Billie Holiday wird Mélanie de Biasio bezeichnet. Wer die Songs des Albums "No Deal" aus dem Jahr 2013 hört, der findet Belege für diesen Vergleich. Tatsächlich ist das Jazzmusik, die so schwarz ist, dass es einen stellenweise schaudert. Frau de Biasio singt mit sanftem Timbre, dem Piano werden hier stets nur die nötigsten Klänge entlockt. Und das Schlagwerk kommt als Rhythmusmaschine nur dezent zum Einsatz. Natürlich ist das Jazzmusik, aber keine vogelfreie, sondern eine, der Anleihen nimmt bei Blues und Klassik. Stellenweise stehen hier Mark Hollis (Talk Talk), Beth Gibbons (Portishead) und Andrea Schröder Pate. Großes Album, dem mit "Blackened City", einem 24-minütigen morbiden Teufelsritt, direkt das nächste Glanzwerk folgt.

Klingt nach: Portishead, Billy Holiday, Nina Simone (Punkte: 4,5/5).

Woman - Fever Eine spannende Spielart des Electrosoul liefert die Band Woman aus Köln mit ihrer EP "Fever". Hier erklärt sich, warum das Trio seit Jahren heiß gehandelt wird. Bisher verzichteten die Herren aber darauf, sich näher zu erklären oder echte Songs zu veröffentlichen. Manchmal lohnt Warten: Die Songs dieser EP schwitzen und zappeln, sie atmen den Geist von Curtis Mayfield, übersetzen aber den Soul in die Neuzeit. Andere erkennen gar Anleihen bei Daft Punk und Santana. Das Fieber steigt.

Klingt wie: Curtis Mayfield, Marvin Gaye, Jamie Lidell (Punkte: 4/5).

Lea - Vakuum Im Alter von 15 Jahren veröffentlichte Lea aus Hannover erste Songs auf Youtube. Das führte sie letztlich zum Label Four Music, auf dem dieses Jahr das Album "Vakuum" erschien. Unentschieden klingt diese Musik, die zu introspektiv ist, um völlig Pop zu sein, aber produktionstechnisch viel zu aufgeplustert, um unter die Haut zu gehen. Die Songs haben durchaus Format, aber hier konnte sich ein Produzent nicht entschieden, ob Lea jetzt die deutsche The XX oder die neue Hildegard Knef werden soll. Überall pluckert und knarzt es, der Bass wummert, glockenhell dazu Leas Stimme. Als Monolog, als ständige Selbstsuche und der Versuch des Auslotens eigener Gefühle soll dieses Album gelesen werden. Man will das ja glauben, hat aber das Gefühl, dass diese Kunst in eine Hülle gepackt wurde, die am Ende auch der Sängerin nicht gefällt.

Klingt nach: MIA, The XX (Punkte: 2,5/5).

(RP)
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